Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) entwickelt gemeinsam mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) im Projekt KulturGutRetter eine Auslandseinsatzeinheit, um bei Katastrophen weltweit schnelle Hilfe aus Deutschland für die Notversorgung von Kulturgut anbieten zu können. Die Freiwilligen der KulturGutRetter-Auslandseinheit Cultural Heritage Response Unit (CHRU) hatten während der Vollübung nun erstmals die Möglichkeit, im Rahmen eines großangelegten Übungsszenarios das zuvor Erlernte anzuwenden. Schauplatz des fiktiven Erdbebenszenarios war das Renaissance-Schloss Demerthin im Landkreis Prignitz in Brandenburg. Am Übungsort angekommen wurden die 41 Übungsteilnehmenden der CHRU mit dem folgenden Szenario konfrontiert.
Das Katastrophenszenario
Ein schweres Erdbeben hat die Region getroffen. Nationale und internationale Hilfskräfte haben die Lebensrettungsphase abgeschlossen, nun soll ein Kulturdenkmal und sein Inventar gesichert werden. Bestehende internationale Hilfsersuchen wurden um den Aspekt Kulturgutschutz erweitert und dieser in den Katastrophenschutzmechanismus der EU (UCPM) implementiert. Deutschland hat deshalb die Hilfe der Auslandseinsatzeinheit CHRU angeboten. Die Einheit ist an den betroffenen Einsatzort geflogen, an dem nun ein Schloss gesichert und Kulturgüter geborgen werden.
Kulturgut bergen, dokumentieren, notkonservieren
"Für dieses Projekt gibt es keine Blaupause. Als Einsatzleiter der CHRU wird mir besonders im Gedächtnis bleiben, wie gut die Zusammenarbeit und der Know-how-Transfer funktioniert haben. Ich bin überrascht, dass wir als so unterschiedliche Menschen – THWler, Archäologinnen, Restauratoren oder Ingenieurinnen – zusammengefunden haben. Aber der Antrieb, etwas zu schützen, das uns wertvoll ist, und der gemeinsame Blick auf ein sinnstiftendes Ziel schweißen eben zusammen", sagte Stefan Tahn, CHRU-Teamleader.
Freiwillige Expertinnen und Experten für Bauforschung und Denkmalpflege führten während der Übung mit der Unterstützung von THW-Einsatzkräften eine Schadenserfassung am Schloss durch, bewerteten Schäden und dokumentierten das Gebäude. Die Nutzung des Geländes wurde durch die Vermittlung des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und dem Sachbereich Denkmalschutz des Landkreises Prignitz und mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Gumtow ermöglicht.
Gemeinsam wurde Schutt aus den Schlossräumen entfernt, um die Statik zu entlasten. Die Freiwilligen füllten Hohlstellen am Gebäude und bargen Skulpturen, Dekorationselemente und andere mobile Kulturgüter, die im Labor auf dem Schlossgelände notkonserviert wurden. Mithilfe des digitalen QField-basierten Dokumentationssystems, das am DAI entwickelt wurde, erfassten Fachleute Gemälde, Statuen und andere Kulturgegenstände. Im mobilen Labor für Notkonservierung, das am LEIZA für den schnellen Transport in Katastrophengebiete entwickelt wurde, fotografierte, reinigte und verpackte die CHRU der Konservierung und Restaurierung das geborgene Kulturgut. Das THW stellte mit seiner jahrelangen Einsatzerfahrung die technischen und logistischen Komponenten des Teams zur Verfügung, indem es die Autarkie des Teams während des Einsatzes sicherstellte, den Transport der Ausstattung organisierte und ein Camp für das Team betrieb. Zudem wurde die Kommunikation ermöglicht und Fachberater eingesetzt. Das THW führte den gesamten Einsatz und stellte ehrenamtliches, erfahrenes Personal zur Verfügung, um das Team im Einsatzgebiet vor Ort zu leiten. Die Teamstruktur, das spezielle Equipment und die Workflows der Einsatzeinheit CHRU konnten die Teilnehmenden erstmals nach der Ausbildung im Einsatzszenario erproben.
Die Ausbildung des Teams und die dazugehörige Großübung 2024 stellen wichtige Meilensteine im Projekt KulturGutRetter dar. Die grundlegende Einsatzfähigkeit der CHRU für den internationalen Kulturgutschutz in Katastrophenfällen ist für Anfang des Jahres 2025 geplant.
Das Projekt KulturGutRetter wird seit 2019 unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), gemeinsam mit seinen Partnern von der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) entwickelt. Das Projekt wird durch das Auswärtige Amt und den Deutschen Bundestag unterstützt. Ziel ist die Etablierung einer Auslandseinsatzeinheit, die über den UCPM weltweit Hilfe leisten kann, wenn Kulturgut durch Erdbeben, Überschwemmungen oder andere Katastrophen gefährdet ist. In diesem Jahr nahm das Projekt erstmals mehr als 100 freiwillige Expertinnen und Experten für Kulturgutschutz auf und hat mit der Ausbildung begonnen.