Bereits in der Antike war der Süden Italiens eine Drehscheibe für Migration. Die eisenzeitliche Siedlung (ca. 800 – 700 v. Chr.) von Francavilla Marittima spielte dabei eine Schlüsselrolle als Kontaktort zwischen Einheimischen und Händlern und Kolonisten aus Griechenland und dem Vorderen Orient. Seit 2009 erforscht das Basler Projekt die Begräbnisstätte dieses Ortes und hat bislang 33 Gräber von Frauen, Männern und Kindern freigelegt. Grabbeigaben wie Gefässe, Statuetten, Schmuck und Waffen bieten eine Fülle von Informationen zur Lebensweise der lokalen Elite und ihrer Reaktion auf die Ankunft der Migranten.
«Wir haben anfangs starke Gegensätze vermutet zwischen den Einheimischen und den Kolonisten», so der Archäologe Prof. Martin Guggisberg, der die Ausgrabung leitet. «Nach 10 Jahren Forschung sehen wir die Beziehung in neuem Licht: Nicht Konfrontation und Gegnerschaft bestimmten das Bild, sondern dynamische Prozesse kultureller Transformation, die ab ca. 700 v. Chr. zur schrittweisen Etablierung einer neuen, griechischen Ordnung führten.»
Hinweise für das Ineinandergreifen von Althergebrachten und Neuem entdeckte das Forschungsteam unter anderem im Grab eines lokalen Machthabers. Unter seinen Beigaben fanden sich allerlei Gefässe und Schalen, die nach Griechenland weisen und die Übernahme neuer Trink- und Kulturpraktiken belegen. Hingegen unterstreicht seine Körperbestattung in Embryoposition ein Festhalten an der einheimischen Tradition.
Von besonderer Bedeutung ist auch der Fund von drei eisernen Schwertern. Sie gehören zu den ältesten Belegen dieser neuen «Waffengattung» in Italien und dokumentieren das Eindringen neuer Kampftechniken aus dem Osten. Da die Schwerter sehr schlecht erhalten waren, hat das Forschungsteam zunächst einen Gipsmantel und dann digitale Analyseverfahren genutzt, um sie zeichnerisch und im 3D-Druck zu rekonstruieren.
Rund 70 Studierende haben im Laufe der Jahre an der Lehrgrabung in Francavilla Marittima mitgewirkt und dabei den Umgang mit Pickel, Kelle und Pinsel sowie den Gebrauch modernster Vermessungstechnologie und digitaler Dokumentationsmethoden erlernt. Die Ausstellung «Kulturen im Kontakt» haben die Studierenden unter Anleitung des Basler Ausstellungsbüros Atelier Degen+Meili erarbeitet. Entstanden ist ein Parcours, der einerseits die Kulturkontakte sichtbar macht und andererseits die Arbeitsmethoden des Projekts vorstellt.