In ihrer Rede vor dem Landtag hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft diese Kürzungen ausdrücklich als notwendig vertreten. Nach den nun beschlossenen Einschnitten können die Archäologie und die Baudenkmalpflege nicht mehr ihre Aufgabe erfüllen, die Hinterlassenschaften unserer Vergangenheit umfassend zu bewahren. Bereits vor der Kürzung war die Grenze des Leistbaren erreicht.
Die rot-grüne Landesregierung hatte ursprünglich noch weiter gehende Kürzungen geplant, die bundesweit einmalig gewesen wären und in ganz Europa unter Wissenschaftlern für Entsetzen sorgten: Anfang 2013 kündigte die neue Landesregierung an, bei der Denkmalpflege schrittweise Kürzungen bis auf Null im Etat für 2015 vornehmen zu wollen. Auf diese Pläne regte sich internationaler Protest, von der Kritik der Fachwelt bis hin zu einer Petition der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF), die im März bis Juni von 27.000 Bürgerinnen und Bürgern weltweit unterzeichnet worden war, unter ihnen auch Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Koji Mizoguchi, Präsident des World Archaeological Congress, und die beiden Landesarchäologen Prof. Dr. Jürgen Kunow (Bonn) und Prof. Dr. Michael Rind (Münster).
Mit diesem Rückenwind wurde nun in intensiven Gesprächen zwischen Experten – u.a.der DGUF – und Politikern ein Kompromiss erreicht. Demzufolge bleiben der Archäologie zwei Drittel der bisherigen Mittel dauerhaft erhalten. Die DGUF sieht die Gesamtsituation dennoch mit großer Besorgnis. Die stellvertretende DGUF-Vorsitzende, Diane Scherzler, sagt: "Die Archäologie ist seit langen Jahren unterfinanziert. Vieles war überhaupt nur möglich, weil Archäologen unter teilweise erheblichen persönlichen Opfern und mit größter Hingabe ihren Beruf ausgeübt haben."
Mit der gesetzlichen Fixierung des Verursacherprinzips bei der Erneuerung des Denkmalschutzgesetzes im Sommer 2013 und der nunmehr zugesagten Finanzierung hat die Landesregierung die fachgerechte Arbeit im Vorfeld von Baumaßnahmen sicher gestellt: die nötigsten Ausgrabungen können auch weiterhin stattfinden und anschließend die Bauplätze den Investoren frei von archäologischen Hinterlassenschaften übergeben werden. Die DGUF weist aber darauf hin, dass alles, was nach den Ausgrabungen geschehen muss, nun stärker denn je unterfinanziert ist: die Konservierung der Funde, beispielsweise von metallenem Schmuck, die unabdingbaren naturwissenschaftlichen Untersuchungen, beispielsweise zur Datierung, die Auswertung der Grabungen, ihre Veröffentlichung und damit alle Grundlagen für eine Umsetzung der Ergebnisse in Museumsausstellungen für die Bürger des Landes und für interessierte Touristen.
Im Jahr 2012 wendete das Land NRW noch 12,1 Millionen Euro für die Archäologie und die Baudenkmalpflege auf, davon 3,0 Millionen für die Archäologie, 8,3 Millionen für die private und kommunale Baudenkmalpflege und 0,8 Millionen für die Kölner Dombauhütte. Im Etat für 2014 sind nun – nach den Protesten und abweichend von den ursprünglichen Plänen der Landesregierung – insgesamt 5,8 Millionen Euro vorgesehen, davon 2,0 Millionen Euro für die Archäologie (minus 33 %), 2,0 Millionen für die private und kommunale Baudenkmalpflege (minus 76 %) und 1,8 Millionen für die Dombauhütten in Köln, Aachen und Xanten sowie die Soester Kirche (plus 125 %). Dem Wegfall von 6,3 Millionen Euro steht das neue Angebot einer Darlehensförderung im jährlichen Volumen von 60 Millionen Euro gegenüber; diese Mittel stehen für Investoren bereit, die Baudenkmäler oder denkmalwürdige Gebäude erhalten und sanieren. Wie Mitglieder des zuständigen Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr der DGUF gegenüber mündlich versicherten, sollen die nunmehr verabschiedeten Etatansätze für 2014 auch "in den Folgejahren erhalten bleiben".
Nordrhein-Westfalen hat eine einzigartige und weltweit beachtete archäologische Substanz; es sei erinnert an den Neandertaler, das römische Köln und die künftige UNESCO-Welterbestätte Kloster Corvey. Doch sein Bevölkerungsreichtum und seine Wirtschaftskraft bedingen auch eine besonders starke und anhaltende Gefährdung seines kulturellen Erbes, das nun nach Überzeugung der DGUF mehr denn zuvor den Zerstörungen ausgesetzt ist. Die Kürzungen sind von großer Tragweite, betont Diane Scherzler: "Wir können die Archäologie und die Erhaltung unserer denkmalgeschützten Stadtkerne nicht beiseitelegen, bis vielleicht wieder einmal Geld da ist. Was weg ist, ist für immer weg." "Der Protest der Bürgerinnen und Bürger gegen die Mittelstreichungen war wertvoll," bilanziert der stellvertretende DGUF-Vorsitzende und Initiator der Petition Dr. Frank Siegmund, "denn die vielen Unterzeichner unserer Petition haben der Politik ein klares Stopp-Signal gesetzt und für die Archäologie und Baudenkmalpflege trotz der gravierenden Verluste eine Basisfinanzierung gerettet. Das ist ein ganz beachtlicher Erfolg." Würde man die Etatsumme mit der Zahl der Unterstützer der DGUF-Petition verrechnen, könnte man sagen: Jede einzelne Unterschrift unter die Petition der DGUF hat der Archäologie und Baudenkmalpflege des Landes 215 Euro an Zuschüssen erhalten – jährlich.