Vorgeschichte
"In einem archäologischen Rekordjahr mit weit über 500 archäologischen Maßnahmen im Rheinland 2018", so Dr. Erich Claßen, Leiter der LVR-Bodendenkmalpflege, "konnten gleich an mehreren Orten – in Rheinbach, Erkelenz-Borschemich und Erftstadt-Blessem – Siedlungen der frühesten Bauern untersucht werden. Sie ergänzen das vor rund 7.000 Jahren schon erstaunlich dichte Siedlungsbild." Typisch für diese Ansiedlungen sind Langhäuser, aber auch Brunnen und Umzäunungen wie in Rheinbach. In Borschemich umgab sogar ein Erdwerk mit tiefem, umlaufendem Graben einen Teil der Siedlung. Charakteristische Funde dieser ersten jungsteinzeitlichen Gesellschaft Mitteleuropas sind bandverzierte Keramikgefäße und Steinbeile.
Eine Rarität im Rheinland ist eine Hockerbestattung aus der späten Jungsteinzeit, die in Rheinbach entdeckt wurde. Die Beisetzung in Hockerlage – seitlich mit angewinkelten Armen und Beinen – und das beigegebene Gefäß mit der horizontal umlaufenden Verzierung sind typisch für die sogenannten Becherkulturen vor etwa 4500 Jahren. Weitere Beigaben sind eine flächenretuschierte Klinge und ein messerartiger Abschlag aus Feuerstein.
Schon mehrfach schien das bislang größte früheisenzeitliche Gräberfeld des Rheinlands in Inden (Tagebau Inden) sein Ende erreicht zu haben, doch immer weiter kommen Bestattungen zutage: 900 Gräber bislang, darunter rund 140 Kreisgräben und Langhügel einstiger Hügelgräber. Der zeitliche Rahmen reicht mit einem neu entdeckten, noch bronzezeitlichen Grab vom 12. bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. Unter den herausragenden Urnenbestattungen mit wertvollen Schmuckbeigaben enthielten zwei Gräber sogar eine identische Schmuckkombination aus bronzenem Hals- und Armring sowie einer Glasperle.
Immer weiter schließen sich Forschungslücken in den Metallzeiten durch die neu entdeckten Grab- und auch Siedlungsfunde, wie in Tönisvorst oder Erftstadt-Blessem. Dort belegt ein Hausbefund vom "Typ Pommenich" Kontakte über größere Entfernungen hinweg. Der im Rheinland seltene Haustyp am Übergang von der Eisenzeit zur römischen Epoche ist hauptsächlich in den Niederlanden und in Norddeutschland zu finden.
2018 kam es durch Sturmschäden mit folgenden Ausgrabungen zu neuen Entdeckungen im Montanrevier von Königswinter-Bennerscheid. Dort wurde intensiv Bergbau auf Silber, Blei- und Zinkerze, aber auch Gangquarz (Bergkristall) betrieben. Neufunde wie ein 45 Kilogramm schwerer, fladenförmiger Bleibarren bezeugen einen Abbau bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. und auch in der Zeit um Christi Geburt ist Bergbau belegt. Aus der mittelalterlichen Abbauphase stellt ein Cabochon, ein geschliffener Bergkristall, einen besonderen Fund dar. Um 1800 nahm man nach einer längeren Unterbrechung den Abbau für etwa 70 Jahre wieder auf, bis das Bergbaugebiet endgültig aufgegeben wurde.
Römische Epoche
Gleich zwei Münzschätze entdeckten lizensierte Sondengänger und meldeten sie gesetzesgemäß dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland: Der Hort aus Jülich besteht aus 507 Silbermünzen des späten 3. Jahrhunderts, die wahrscheinlich illegal hergestellt wurden. Der zerpflügte Münzhort aus Mönchengladbach-Rheindahlen umfasst nach weiteren Untersuchungen durch das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege mittlerweile mehr als 1.300 kleine Kupfermünzen des 4. und beginnenden 5. Jahrhunderts. Zudem gelang es, einen Pfostenbau und mehrere Gruben freizulegen, dabei fand sich auch eine Merkurstatuette. Der Münzschatz entsprach damals nur einem Landarbeiterlohn von mehreren Tagen. Warum die Besitzer ihr Geld versteckten, kann nur gemutmaßt werden. Naheliegend ist ein Zusammenhang mit unruhigen Zeiten – bergen konnten sie es nicht mehr. Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW (MHKBG) belohnte bereits die beiden Finder des Mönchengladbacher Münzhorts. Anne Katrin Bohle, Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung und Denkmalpflege am MHKBG, äußerte sich anlässlich der Tagung: „Die Archäologie in Nordrhein-Westfalen ist seit Jahrzehnten ein wichtiger und verlässlicher Partner in der gemeinsamen Aufgabe, das Gedächtnis unseres Landes zu erhalten und zu erforschen. Auch 2019 wird das Land die Landesarchäologie hierbei unterstützen.“
Dramatische Ereignisse fanden wohl auch im römischen Gutshof (villa rustica) von Kerpen-Manheim (Tagebau Hambach) statt. Dort barg ein Brunnen neben Bauschutt und Keramik Unerwartetes: eine Bronzekanne des gehobenen Tafelgeschirrs, aber auch die Skelettreste eines jungen Mannes. Trotz seines Alters von erst 21 bis 25 Jahren wies er starke Abnutzungsspuren an einem Lendenwirbel und am Ellbogengelenk auf, die eine starke körperliche Belastung anzeigen. Zudem litt er an einer chronischen Nasen- und Stirnhöhlenentzündung. Ob er gewaltsam zu Tode kam, ließ sich am erhaltenen Skelettmaterial nicht mehr feststellen. Aufgrund der Datierung der Brunnenfunde ist ein Zusammenhang mit der Krise des Römischen Reiches in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wahrscheinlich – einer Phase mit inneren Revolten und äußerer Bedrohung durch einfallende Germanen.
Herausragende Funde kamen 2018 in Zülpich zutage. Neben einem Sarkophag mit der Bestattung einer jungen Frau mit kostbaren, sehr persönlichen Beigaben fanden sich zwei reich ausgestattete Brandgräber (busta) des 2. Jahrhunderts. Einige der Beigaben hatte man auf dem Scheiterhaufen mit verbrannt, doch die erhaltenen Reste belegen verzierte Möbel, Glasgefäße für Parfum und Duftöle, Speisereste, u. a. von Fisch und Schwein, und in einem der beiden Gräber zwei Münzen. Die unverbrannten Geschirrsätze aus Keramikgefäßen stammen möglicherweise vom Leichenschmaus am Grab. In separaten Beigabennischen standen Gefäße, darunter kostbare aus Glas: Flaschen, Teller, Becher und Schalen. Eines der beiden Gräber enthielt zudem ein Öllämpchen, ein Döschen (Pyxis) aus Bein, einen Bernsteinring mit einer figürlichen Verzierung in Form eines ruhenden Fuchses sowie zwei silberne, sogenannte einfache gallische Fibeln. Letztere sind vielleicht Erbstücke, da sie deutlich älter sind als das übrige Inventar. Dieser Fund ist auch als Fund des Monats im LVR-LandesMuseum Bonn ausgestellt.
Mit spannenden neuen Erkenntnissen kann der LVR-Archäologische Park Xanten aufwarten: Dort wird die Stadtmauer weiter ausgebaut – und anders als bisher rekonstruiert, nämlich höher und auf der Innenseite ohne Wall. Neues lieferte auch die Untersuchung des Hafentempels der Colonia Ulpia Traiana, dessen Wände in römischer Zeit aufwändiger und farbenprächtiger mit Marmor und Stuck geschmückt waren, als man bisher annahm. Überraschende Ergebnisse erbrachten auch die ersten Testfahrten mit dem römischen Segelschiff, das zwei Jahre lang vor den Augen des Publikums in der inklusiven Werft des Freilichtmuseums rekonstruiert wurde.
Das Römisch-Germanische Museum der Stadt Köln war 2018 vielerorts im Stadtgebiet tätig: An der Severinstraße unweit vor dem ehemaligen Südtor der Colonia Claudia Ara Agrippinensium wurde die wechselhafte Geschichte innerhalb der antiken Vorstadt sichtbar, die sich in Grabfunden, Wohn- und Werkstattnutzung widerspiegelte. In Vorbereitung der dritten Baustufe der Nord-Süd Stadtbahn stand die römische Limesstraße, die unter der Bonner Straße verläuft, im Fokus der Untersuchungen. Im Mittelpunkt standen zwei Maßnahmen in den Kölner Außenbezirken. In Worringen wurden Teile eines römischen Gutshofes (villa rustica) erfasst. Außer Nebengebäuden kamen die Umfassungsmauer mit einer repräsentativen Toranlage und Grabfunde zutage. Im Westen Kölns, im Stadtteil Hohenlind, konnte ein vorzüglich erhaltener Siedlungsplatz aus der älteren Eisenzeit (ca. 600 v. Chr.) untersucht werden. Unter den Funden sind drei Bernsteinperlen, die frühen Handel mit Bernstein aus dem Ostseeraum belegen.
Mittelalter und Neuzeit
Eine Goldmünze des 7. Jahrhunderts kam in Wegberg ans Licht. Der sogenannte Tremissis wurde vom Münzmeister Madelinus im frühmittelalterlichen Handelsstützpunkt Dorestad (heute Niederlande) geprägt, wie die Umschriften auf der Münze verraten.
In Meckenheim traf ein Grabungsteam auf frühmittelalterliche Bestattungen und mehrere Hausbefunde der wohl zugehörigen Siedlung – ein seltener Fall, denn meist sind nur die Gräber zu finden, weshalb solchen Fundplätzen besondere Bedeutung zukommt. Die schon kurze Zeit nach der Beisetzung beraubten Bestattungen enthielten nur noch wenige Beigaben aus der späten Merowingerzeit zwischen 650 und 700 n. Chr.
Überraschende Ergebnisse erbrachten die Ausgrabungen in der Pfarrkirche St. Anton in Schwalmtal-Amern anlässlich ihrer Umwidmung zu einer Begräbnisstätte. Wie sich zeigte, war die heutige Kirche im Jahr 1491 auf römischem Baugrund errichtet worden. Der älteste Vorgängerbau, ein rechteckiger Raum, ist in Teilen möglicherweise sogar auf römischen Fundamenten gegründet. Wohl im Verlauf des 12. Jahrhunderts entstand mit dem Anbau von zwei Seitenschiffen eine romanische Basilika. Diese ist wohl die bislang nicht lokalisierte Pfarrkirche des Kölner Domkapitulars Wilhelm von Amern, der in Schriftquellen zwischen 1255 und 1273 als Inhaber der Pfarrstelle in St. Anton genannt wird.
Anfang Januar 2018 musste der 1888 bis 189 erbaute neoromanische Kirchenbau St. Lambertus in Erkelenz-Immerath dem Braunkohlentagebau Garzweiler weichen. Bei den archäologischen Untersuchungen fanden sich unter dem Kirchenfußboden Fundamente, Mauerwerk und etliche Bauteile einer deutlich kleineren dreischiffigen Vorgängerkirche, die 1888 für den Neubau niedergelegt worden war. Diese hatte sich aus einem romanischen Kernbau, einer Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor entwickelt. Unter den zahlreichen Gräbern aus dem Kirchenbau sei ein mittelalterliches Adelsgrab erwähnt, in dessen Kopfbereich ein unvollständiger römischer Weihestein verbaut war. Der Inschriftenrest lautet ex imperio ipsarum, deutsch: auf ihren [den der Gottheit] eigenen Befehl hin. Möglicherweise wurde das IMPER dieser gängigen römischen Weiheformel als IMPERATOR missverstanden und der Stein deshalb verwendet.
Ungewöhnliche Funde sind ein hochmittelalterliches Schwert und ein frühneuzeitliches Messer von zwei Fundorten aus dem Hambacher Forst. Die beiden Funde fernab von Siedlungsstellen sind im Zusammenhang mit der Jagd zu sehen, einem wichtigen Aspekt der Waldnutzung durch den Adel. Dieser Zeitvertreib war ein bis in die frühe Neuzeit verbrieftes Privileg dieses Standes. Unter welchen Umständen diese wertvollen Blankwaffen verloren gingen, ist unklar. Denkbar sind schwere Jagdunfälle.