Die erste Stufe der Restaurierungsmaßnahmen in dem seit 1999 von der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit syrischen Archäologen der Antikendirektion Damaskus und italienischen Archäologen der Universität Udine ausgegrabenen altorientalischen Großgebäude ist jetzt abgeschlossen. An der feierlichen Veranstaltung auf dem Ruinengelände nahm Dr. h.c. Asma al-Assad, die Gattin des syrischen Staatspräsidenten teil. Die First Lady Syriens ließ sich die seit 2005 andauernden, aufwändigen Restaurierungsmaßnahmen im Königspalast durch die Grabungsleiter Prof. Dr. Peter Pfälzner (Tübingen) und Prof. Dr. Daniele Morandi Bonacossi (Udine) ausführlich erläutern.
An der Zeremonie nahmen außerdem der Kulturminister Syriens und der Generaldirektor der syrischen Antikendirektion teil, von deutscher Seite die Prorektorin der Universität Tübingen, Prof. Dr. Stephanie Gropper, und der deutsche Botschafter in Damaskus sowie von italienischer Seite die Rektorin der Universität Udine und der italienische Botschafter. Prorektorin Stephanie Gropper wies in ihrem Grußwort auf die ausgezeichnete Unterstützung des Tübinger Teams durch die staatlichen syrischen Institutionen und die syrische Bevölkerung hin.
Im Mittelpunkt des Interesses stand das mit Mitteln der Kulturhilfe des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland errichtete Schutzdach über dem Palastbrunnen, das mit transparenten Polycarbonatplatten überdeckt ist. Diese wurden von der Firma Bayer als Spende zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um eine moderne, lichtdurchlässige Bogenkonstruktion aus Stahl von 20 Meter Spannweite, die über eine Länge von 28 Metern den Bereich um das monumentale und sehr tiefe Brunnenhaus des Palastes überspannt.
Das Brunnenhaus ist durch seine ungewöhnliche Größe und seine repräsentative Ausstattung mit einer breiten, 80-stufigen, an den Brunnenwänden umknickend hinab führenden Basalttreppe als einzigartiges Architekturmonument der altorientalischen Bronzezeit ausgewiesen und aus diesem Grund ein Denkmal von besonderer Schutzwürdigkeit. Es datiert in die Mittlere Bronzezeit, um etwa 1700 v. Chr.
Die von Heike Dohmann-Pfälzner geleiteten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten archäologischen Ausgrabungen des deutsch-syrischen Forscherteams der Universität Tübingen wurden parallel zu den Restaurierungsmaßnahmen bis Ende September fortgesetzt. Hier stand die weitere Freilegung der im Jahr 2009 entdeckten zweiten Gruft unter dem Königspalast von Qatna im Vordergrund. Es wurden über die bereits Anfang September gemeldeten Funde hinaus weitere erstaunliche Gegenstände aus der unberaubten Grabkammer geborgen. Dazu gehört ein ägyptischer Becher aus schwarzem, durchscheinendem Obsidian, der am Rand und am Boden mit Gold gefasst ist, sowie Schmuckstücke in Form von Armreifen und Halsringen aus Gold und wertvollen Steinen, unter anderem baltischem Bernstein. Ein Siegel mit einer Inschrift der ägyptischen Königsmutter Ahmes-Nefertari (um 1560 v. Chr.) stammt aus der durch Keramik und andere Funde einzugrenzenden Benutzungszeit des Grabes und ist dadurch ein eindrucksvoller Beleg für die engen Kontakte zwischen Qatna und Ägypten in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr., in der späten Hyksos-Zeit und am Beginn des Neuen Reichs.
Die wahrscheinlich über 100 in der Grabkammer aufgefundenen Skelette lagen gruppenweise in größtenteils zergangenen Holzkisten, von denen bis zum Ende der Kampagne 15 Stück nachgewiesen werden konnten. Sie standen eng an eng, und zum Teil übereinander in der Gruft. Ein breiter Bronzegürtel umschlang den Beckenknochen eines Kindes. In einer anderen Holzkiste fand sich ein Kästchen mit Einlegearbeiten aus Elfenbein. Die Intarsienplättchen dekorierten das Holzkästchen auf drei Seiten und fanden sich zum Teil noch an ihrer ursprünglichen Position, da sie mit Bitumen befestigt waren. Die Intarsien zeigen Tierfiguren wie Gazellen, Affen und Löwen, Mischwesen mit Löwenkopf und Adlerkörper sowie menschliche Personen. Das Kästchen stellt ein einzigartiges Zeugnis mesopotamisch-syrischer Kunst der ausgehenden Mittleren Bronzezeit dar. Es muss in den kommenden Jahren aufwändig konserviert und restauriert werden.