Bei Tiefensondagen für ein Bauprojekt wurde im Jahr 2003 in Zizers im Schlossbungert, einer Wiese unterhalb des Oberen Schlosses, Mauerwerk eines abgegangenen Gebäudes tangiert. Nachdem der Archäologische Dienst Graubünden Kenntnis von der bisher unbekannten Bauruine erhalten hatte, wurden zur Abklärung der Ausdehnung und des Alters der Gebäudereste umgehend archäologische Sondierungen durchgeführt. Dies nicht zuletzt um der Bauherrschaft rechtzeitig den zeitlichen Aufwand einer Flächengrabung mitteilen zu können. Die Überraschung war gross, als sich dabei herausstellte, dass sich im Boden des Schlossbungerts ein gross dimensioniertes Bauwerk aus der Übergangszeit vom Früh- zum Hochmittelalter befindet.
Die vollständige archäologische Untersuchung kam für den Archäologischen Dienst Graubünden erst nach Vorliegen der amtlichen Baubewilligung für die Mehrfamiliensiedlung in Frage. Diese lag aus verschiedenen Gründen erst im Frühjahr 2009 vor. Seit August 2009 ist die Baugrube bis auf die Tiefe der mittelalterlichen Baureste geöffnet. Das für Graubünden einzigartige Gebäude wird seither durch den Archäologischen Dienst untersucht.
Die anfänglich geäusserte Vermutung, dass es sich um den schriftlich überlieferten Königshof von Zizers handelt, den der deutsche Kaiser Otto I. im Jahre 955 dem Churer Bischof Hartpert schenkte, hat sich jetzt aufgrund der festgestellten Grösse und der Ausstattung erhärtet. Die Bauten erstrecken sich nämlich bis zur evangelisch-reformierten Kirche und umfassen eine Länge von mindestens 25 Metern sowie eine Breite von 13 Metern. Neben der Pfalz auf dem Lindenhof in Zürich ist dies erst der zweite, archäologisch nachgewiesene Königshof der Schweiz.
Die archäologischen Hinweise in Zizers reichen noch mindestens zwei Jahrhunderte weiter zurück. Der prunkvolle Hof, in dem der Kaiser und sein Gefolge auf den beschwerlichen Dienstreisen durch das Reich auf dem Weg nach Italien Halt machte, dürfte bereits zur Zeit Karls des Grossen gestanden haben. Wie die archäologischen Untersuchungen ergaben, blieb das Gebäude bis zur Schenkung im 10. Jahrhundert nicht in der ursprünglichen Form erhalten. Nach einem Brandereignis im 9. Jahrhundert folgen sich wiederholt Umbauten im Innern, die riesige Halle wird durch Binnenmauern und Feuerstellen in Wohn-, Küchen- und Vorratseinheiten unterteilt. Im 11./12. Jahrhundert – eine genaue Zeitangabe ist zur Zeit noch nicht möglich – ist das Gebäude so baufällig, dass es aufgegeben wird. Der Innenraum der Ruine wird in der Folge als Friedhof der Kirche benutzt, die vermutlich aus der ursprünglichen Kapelle des Königshofes erwächst und an deren Stelle die heutige evangelisch-reformierte Kirche steht.
Am Ort des Königshofs oder in der näheren Umgebung muss sich bereits in römischer Zeit eine Ansiedlung befunden haben. Aus dieser Epoche sind zwar keine Bauten erhalten, Einzelfunde weisen aber auf ein römisches Dorf oder einen Gutshof hin. Wie lange die Ausgrabungen in Zizers noch dauern werden, ist derzeit noch offen.
Tag der offenen Ausgrabung
Die Ausgrabungsstätte in Zizers kann am Freitag 4. und am Samstag 5. Juni besichtigt werden. Neben Erläuterungen zu den eindrücklichen Bauzeugnissen aus dem 8., 9. und 10. nachchristlichen Jahrhundert und zum archäologischen Handwerk werden verschiedene Nachbarwissenschaften der Archäologie vorgestellt.