Bisher habe, so die Wissenschaftlerinnen, noch niemand all die Funde in den verschiedenen Eiszeithöhlen zusammengetragen und die Zeichen verglichen. Der Kölner Felsbildarchäologe, Dr. Tilman Lenssen-Erz, vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln widerspricht dieser Entdeckung und sagt, dass die Erkenntnis über die Vorkommen der Zeichen bereits seit über 50 Jahren existieren. "Die Literatur zu diesem Thema füllt bereits Regale und eine komplexe semiotische Interpretation der Zeichen und ihrer Verteilung wurde bereits seit den 1950er Jahren durch fachbekannte Forscher wie André Leroi-Gourhan ausgearbeitet", sagt Lenssen-Erz, der sich seit 1986 mit der Forschung auf diesem Gebiet beschäftigt. Die Kanadierin von Petzinger recherchierte vier Monate.
Im "New Scientist" wird von Petzinger außerdem zitiert, dass die Annahmen zu prähistorischen Menschen neu überdacht werden müssten. Die Zeichen seien von alphabetisierten Clans aus Afrika in die Welt verbreitet worden. "Für all das findet man in seriös empirischen Studien keinerlei Belege", entgegnet Lenssen-Erz dieser Auffassung. "Die Qualität der Sammlung ist sehr fraglich, da in der Sahara, eine der reichsten Felskunstregionen unserer Erde, von der Wissenschaftlerin am wenigsten Zeichen aufgelistet wurden", sagt Lenssen-Erz. "Dort sind aber sehr viele Zeichen vorhanden. Gleiches gilt für Skandinavien und Sibirien, die völlig fehlen" Überdies müsste die Theorie laut Lenssen-Erz gar umgekehrt sein. "Die in französischen Höhlen gefundenen Zeichen sind viel älter als die in Afrika: Sie stammen aus der Eiszeit, die in der Sahara sind nacheiszeitlich datiert."
Die südafrikanische Prähistorikerin Dr. Sarah Wurz, die seit einigen Monaten den Kölner Sonderforschungsbereich 806 verstärkt, verweist darauf, dass prähistorische Zeichen bereits seit 30 Jahren eine zentrale Rolle in Theorien zu veränderten Bewusstseinszuständen, wie etwa Trance, spielen. Das tatsächliche Alter der vielen Zeichen sei aber völlig ungelöst.
Ein französischer Forscherkollege von Lenssen-Erz äußert sich noch schärfer in seiner Kritik an dem "New Scientist"-Beitrag. "Kurzum eine schludrige Veröffentlichung, die Jahrzehnte der minutiösen Forschung ignoriert und als Neuigkeit in einer großen englischsprachigen Fachzeitschrift präsentiert wird", schreibt Dr. Jean-Loïc LeQuellec vom französischen Forschungszentrum Centre National de la Recherche Scientifique in seinem Blog.
Beide Forscher sind sich einig: Den vermeintlichen Schlüssel der Erkenntnis über den Ursprung der ersten Schrift liefert die Veröffentlichung nicht.