Klima war der Schlüsselfaktor bei der Ausbreitung der ersten Bauern in Europa
Das Forschungsteam stellte eine große Datenbank mit den ersten Ankunftsdaten neolithischer Bauern auf dem ganzen Kontinent zusammen und untersuchte die Geschwindigkeit ihrer Wanderung im Zusammenhang mit klimatischen Rekonstruktionen der damaligen Zeit. Sie analysierten auch alte DNA-Daten erneut, um die Interaktion zwischen frühen Bauern und lokalen Jägern und Sammlern besser zu verstehen.
Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Migration von Südosteuropa aus schnell begann, wobei die neolithischen Bauern die bestehende Jäger-Sammler-Population verdrängten. Dies zeigte sich daran, wie wenig sich die DNA der beiden Gruppen vermischte. Als sie nach Norden zogen, wurde das Klima weniger geeignet für die Feldfrüchte, die sie mit sie mit sich brachten. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit verlangsamte sich und veränderte die Art und Weise, wie die Neuankömmlinge mit den lokalen Jägern und Sammlern interagierten, was sich an der zunehmenden genetischen Vermischung der beiden Gruppen ablesen lässt.
Um zu testen, ob das Klima der Schlüsselfaktor für die Verlangsamung der Migration war, verwendete das Team die paläoklimatische Rekonstruktion, um die Anzahl der Wachstumsgradtage (Growing Degree Days, GDD) für die Gebiete zu berechnen, auf die die Bauern während ihrer Expansion trafen. Wachstumsgradtage werden in der Landwirtschaft üblicherweise als ein Mass für die Wärme verwendet, die in einem Jahr für das Wachstum der Nutzpflanzen zur Verfügung steht. Die Expansion verlangsamte sich entlang verschiedener Migrationsrouten immer dann, wenn die frühen Landwirte Regionen erreichten, in denen die Zahl der GDD geringer war als für eine auskömmliche Ernte erforderlich. Diese Schlussfolgerung wird durch die Tatsache gestützt, dass die einzige Route, auf der sich die Expansion nicht verlangsamt hatte, entlang des Mittelmeers verlief. Das deutet darauf hin, dass in dem dortigen günstigen warmen Klima weiterhin eine rasche Expansion möglich war.
Durch den Vergleich alter DNA-Daten von lokalen Jägern und Sammlern und frühen Landwirten zeigten die Autoren der in Nature Human Behaviour veröffentlichten Studie auch, dass die schwierigen klimatischen Bedingungen für die Landwirtschaft in Nordeuropa zu engeren Beziehungen zwischen den beiden Gruppen und einer höheren Beimischung führten. Der Austausch von Waren und lokalem Jagdwissen könnte es den ersten Bauern ermöglicht haben, trotz schlechter Ernteerträge in diesen Regionen zu überleben.
Die Untersuchung zeigt, wie das Klima die Migration der Menschen seit Beginn unserer Geschichte wesentlich beeinflusst hat. Die klimatische Eignung von Lebens- und Siedlungsorten spielte demnach eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung, wo verschiedene menschliche Gruppen gedeihen konnten, was wiederum die Genetik ganzer Kontinente veränderte.
Dr. Lia Betti, Universität Roehampton, sagte: »Diese Studie erforderte einen enormen Arbeitsaufwand, um Hunderte von archäologischen Artikeln, Büchern und Berichten in verschiedenen Sprachen zu sichten und ein detailliertes Modell der Ausbreitung der Landwirtschaft in Europa zu erstellen. Wir sind sehr stolz darauf, dass unsere Datenbank nun der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen wird, um zukünftige Forschungen zu erleichtern. Wir haben auch neue Methoden entwickelt, um die Hauptrouten früherer menschlicher Migrationen zu identifizieren und festzustellen, ob das Klima einen signifikanten Einfluss hatte. Wir hoffen, dass uns dies erlauben wird, die Gründe für prähistorische Migrationswellen in anderen Regionen der Welt zu untersuchen«.
Publikation
Climate shaped how Neolithic farmers and European hunter-gatherers interacted after a major slowdown from 6,100 BCE to 4,500 BCE
Nature Human Behaviour. 06.07.2020
DOI: 10.1038/s41562-020-0897-7
https://www.nature.com/articles/s41562-0...