»Die Ukraine ist seit vielen Jahren ein wichtiges Partnerland für uns«, erklärt Johannes Müller in Kiew, »deshalb möchte ich gerade in der aktuellen Situation ein Zeichen setzen. Die neue Kooperationsvereinbarung und die Fortsetzung der bestehenden Kooperation mit zwei wichtigen Institutionen stärken die ohnehin gute Zusammenarbeit und legen die Grundlage für weitere gemeinsame Projekte, sobald der Krieg endet. Zusätzlich passen wir bestehende Vereinbarungen an die aktuelle Situation an.«
Gastgeber bedanken sich für den Besuch
Professor Viktor Chabaj, Leiter des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, bedankte sich ausdrücklich bei dem Gast aus Kiel: »Es ist derzeit nicht selbstverständlich, dass uns Kollegen aus dem Ausland besuchen. Wir freuen uns umso mehr über diese Visite und die Fortsetzung der bestehenden Kooperationsvereinbarung auch in diesen Zeiten. Natürlich hoffen wir, dass wir bald auch in der Ukraine wieder gemeinsam Ausgrabungen und wissenschaftliche Forschung durchführen können.«
Professor Mikhail Videiko, Leiter des Archäologischen Instituts der Borys-Grinchenko-Universität Kiew, schloss sich dem Dank an. »Forschung funktioniert nur in internationaler Zusammenarbeit. Es ist gut zu sehen, dass der brutale Angriffskrieg der russischen Regierung das Band zwischen friedlich kooperierenden Wissenschaftlern nicht zerschneiden kann.«
Die neue Kooperationsvereinbarung sieht unter anderem vor, dass archäologische Funde aus der Ukraine in Laboren an der Kieler Universität weiter sicher untersucht und ausgewertet werden können. Außerdem soll sie ukrainischen Archäologinnen und Archäologen noch leichter Zugang zu Know-how und Daten sowie zu Ausgrabungen außerhalb der Ukraine gewähren.
Ukraine ist wichtig für das Verständnis der ersten Großsiedlungen in Europa
Bei der Erforschung der europäischen Urgeschichte nimmt die Ukraine eine besondere Stellung ein. Dort finden sich unter anderem die Spuren von mehr als 5.500 Jahre alten Großsiedlungen, die bereits am Ende der Jungsteinzeit mehrere tausend Einwohner hatten und frühstädtische Strukturen aufwiesen.
Das Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU, an dem Johannes Müller die Professur für Prähistorische Archäologie innehat, sowie der Exzellenzcluster ROOTS und der SFB 1266 gehören zu den weltweit führenden Einrichtungen bei der Erforschung dieser sogenannten Tripolje-Kultur.
»Die Großsiedlungen sind älter als die frühen Hochkulturen in Mesopotamien. An ihnen lassen sich sehr grundsätzliche Prozesse menschlicher Gesellschaften untersuchen«, erklärt Johannes Müller. Wie organisieren sich frühe Städte? Wie reagieren sie auf Umweltveränderungen? Wie war ihre nachhaltige Wirtschaftsweise möglich? Warum kam es zu Konflikten – oder eben nicht? »Das sind genau die Themen, die wir im SFB1266 und im Exzellenzcluster ROOTS bearbeiten«, so der Prähistoriker weiter.
Doch aktuell können in der Ukraine keine Ausgrabungen stattfinden. Deshalb sei der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht eine Katastrophe, betont Johannes Müller, der aktuell die Ausgrabung einer Tripolje-Siedlung in Moldawien leitet.