Die Ergebnisse werfen neues Licht auf die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nuragiern und Proto-Etruskern der Villanova-Kultur im 9. Jahrhundert v. Chr., wie das Team unter Leitung von Dr. Silvia Amicone am Competence Center Archaeometry – Baden-Wuerttemberg (CCA-BW) der Universität Tübingen berichtete.
Die heutigen italienischen Regionen Toskana und Latium gehörten im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. zum Kernland der sogenannten Villanova-Kultur, aus der sich später die Kultur der Etrusker entwickelte. Die Proto-Etrusker kontrollierten die Kupfer- und Eisenbergwerke der Toskana und waren versierte Metallarbeiter. Als Nuragier bezeichnet man die Einwohner Sardiniens, die in der Bronzezeit ab 1600 v.Chr. die gemeinsame "Nuraghen-Kultur" entwickelten – sie errichteten rund 8000 Steintürme, genannt Nuraghen, die bis heute als Wahrzeichen der Insel gelten.
Dass Nuragier und Proto-Etrusker Beziehungen unterhielten, ist durch Metallfunde und Keramiken aus Sardinien dokumentiert, die häufig aus Villanova-Gräbern geborgen wurden. Umgekehrt gab es bislang nur wenige Funde der Villanova-Kultur auf Sardinien, meist in Form von Metallgegenständen wie Broschen. Die Keramiken von Tavolara, einer kleinen Insel vor Sardinien, deuten darauf hin, dass Nord-Etrurien ‒ die heutige Toskana ‒ Zentrum des damaligen Handels war. Sie wurden bereits 2011 und 2013 von der italienischen Forscherin Dr. Paola Mancini geborgen und von Dr. Francesco di Gennaro als erster Nachweis proto-etruskischer Keramik auf Sardinien identifiziert.
Die archäometrischen Analysen wurde am CCA-BW der Universität Tübingen von Dr. Silvia Amicone und Dr. Christoph Berthold sowie Dr. Kyle Freund (Forschungsgruppe Fernöstliche Anthropologie, Indian River State College, USA) durchgeführt. Dabei wurden Keramik-Scherben mit petrographischen und chemischen Methoden auf Herkunft und Zusammensetzung des Materials sowie die Herstellungstechnik analysiert. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Keramik nach Sardinien eingeführt wurde – und zwar aus unterschiedlichen Produktionszentren entlang der Mittelmeerküste des heutigen Italiens.
Daraus lasse sich schließen, dass die gesamte Region Etrurien im Handelsaustausch stand, von der Toskana bis in das nördliche Latium, sagen die Autoren. "Vorstellbar wäre sogar ein 'Handelsabkommen' zwischen Nuragiern und Proto-Etruskern – Tavolara könnte als Treffpunkt für den Austausch von Gütern gedient haben." Die Insel sei der erste bekannte Ort dieser Art auf Sardinien – vermutlich habe es aber mehrere Treffpunkte gegeben, die für den Austausch von Waren genutzt wurden. Weitere Forschung dort und an den archäologischen Funden soll die Rolle Tavolaras innerhalb dieses Übersee-Netzwerks der Eisenzeit im Mittelmeerraum klären.
Die Grabungen auf Spalmatore di Terra wurden von der Area Marina Protetta Tavolara finanziert und unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Rubens D'Oriano als ehemaligem Funktionär der Soprintendenza Archeologia, Belle Arti e Paesaggio per le Province di Sassari e Nuoro durchgeführt. Die keramischen Funde werden von Dr. Francesco di Gennaro, Dr. Paola Mancini und Dr. Silvia Amicone untersucht.
Publikation
New insights into Early Iron Age connections between Sardinia and Etruria: Archaeometric analyses of ceramics from Tavolara
Journal of Archaeological Science: Reports. 4.8.2020
DOI: 10.1016/j.jasrep.2020.102452
https://www.sciencedirect.com/science/ar...