Das einstige Holzgebäude hatte eine Größe von etwa sechs auf sechs Meter. "Seine Lage, sein Grundriss, die gesamte Fundsituation und Erfahrungen aus vergleichbaren Funden bei anderen Ausgrabungen sprechen dafür, dass es sich um ein keltisches Heiligtum handelt“, erklärt Sabine Hornung, Professorin für Vor- und Frühgeschichte der Saar-Universität. Das bedeutet, dass dies der Ort war, wo die Kelten, die hier in einer kleinen Siedlung wohnten, religiöse Riten abhielten und ihren Göttern Opfer darbrachten. "Die Kelten opferten Tiere, Gegenstände, mitunter sogar Menschen", sagt die Archäologin.
Menschliche Überreste fand das Grabungsteam nicht. "Knochen erhalten sich in dieser Art saurem Boden nicht, sondern zersetzen sich recht schnell", erklärt Grabungsleiter Patrick Mertl, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Sabine Hornung. Auch von der einstigen Holzkonstruktion der Kultstätte ist nichts erhalten. Archäologie-Studenten legten bis September etwa 40 Zentimeter unter der Erdoberfläche unter anderem die wannenförmigen Gräben frei, in denen die Fachwerkschwellen des Heiligtums, also die unteren Holzbalken der Konstruktion, lagen. Im Umfeld fanden die Archäologen Keramikscherben. Direkt an einer der ehemaligen Seitenwände gruben sie Überreste eines antiken Vorratsgefäßes mit Deckel aus. Vor dem Heiligtum waren vermutlich zwei mächtige Holzpfosten mit Steinen in der Erde verankert, von denen heute Pfostengruben mit Befestigungssteinen zeugen. "Gut möglich, dass an diesen Pfosten Waffen oder Schilde befestigt wurden", vermutet Mertl. Möglicherweise befand sich schon früher, also vor dem Holzbau, an dieser Stelle eine noch ältere Stätte.
Die Kultstätte liegt in einer Siedlung des keltischen Stamms der Treverer, die Sabine Hornung bereits bei früheren Forschungen entdeckt hatte. "Diese Fundstelle ist dorfartig mit lockerer Bebauung, etwa fünf Hektar Fläche“, sagt sie. Das entspricht einer Größe von über fünf Fußballfeldern. Für eine Sensation, die international Aufmerksamkeit erregte, hatte die Archäologin 2012 gesorgt, als sie wenige hundert Meter entfernt ein römisches Militärlager entdeckte. Anhand von Funden wie Handmühlen, Schuhnägeln römischer Soldaten und Keramikscherben konnte sie das Lager in das Jahr 51 vor Christus datieren: also in die Zeit, als Julius Cäsar seinen Gallischen Krieg gegen aufsässige Gallier führte. Es war 2012 das älteste bekannte Militärlager auf deutschem Boden, heute ist es – nach Funden in Limburg, an deren Bearbeitung Hornung auch beteiligt war – eines der drei ältesten. Zwischen 5.000 und 10.000 römische Soldaten waren Hornungs Schätzungen zufolge dort über Monate stationiert. Mit den neuen Ausgrabungen im weiteren Umfeld des Militärlagers fördert die Archäologin weiter Weltgeschichte ans Tageslicht: Ihr geht es darum, herauszufinden, was sich vor 2.000 Jahren in der Region zugetragen hat und so auch neue Erkenntnisse zum Gallischen Krieg beizutragen.
Was damals genau mit dem jetzt entdeckten keltischen Heiligtum passiert ist, versuchen die Saarbrücker Archäologen zu klären. Fest steht, dass der Bau – ebenso wie die umliegende Siedlung – niederbrannte. Die Archäologen fanden überall typische Brandspuren. Ob die Römer aus dem nahen Militärlager die Siedlung in Schutt und Asche gelegt haben, liegt aber noch im Dunkeln. "Hieran forschen wir. Wir versuchen zu klären, ob die Siedlung bestand, als die Römer kamen, und wenn ja, was passiert ist. Wenn nein, wollen wir herausfinden, wann die Siedlung gegründet und warum sie zerstört wurde", sagt Sabine Hornung. "Wir wollen so viel wie möglich über die Besiedlung und die Geschehnisse herausfinden, um die Geschichte präzise rekonstruieren zu können", ergänzt sie. Bei dieser archäologischen Detektivarbeit werten die Forscher die Gesamtheit aller – oft auf den ersten Blick unscheinbaren – Fundstücke aus, datieren und dokumentieren sie, bringen sie mit weiteren Befunden zusammen und setzen ihre Erkenntnisse wie ein Puzzle zusammen. Hieran und an den Ausgrabungen sind immer auch Studierende beteiligt, die so bereits im Studium forschen und Geländeerfahrung sammeln. "Es handelt sich um Lehrgrabungen. Mir ist wichtig, unsere Studentinnen und Studenten früh an Forschung und Praxis heranzuführen", sagt Hornung.
Gefunden hatten die Forscher die Überreste der archäologischen Strukturen im Erdboden mit Hilfe moderner Technologien. "Wir haben hierzu mit den Studierenden geomagnetische Prospektionen durchgeführt, die uns ohne in den Boden einzugreifen bereits wertvolle Informationen über im Boden befindliche archäologisch relevante Strukturen liefern. Auf Basis dieser Messungen haben wir dann unsere Grabungsfläche gewählt", erläutert Patrick Mertl, Spezialist für geophysikalischen Auswertungen. Im Rahmen der Ausgrabung erstellten die Forscher auch digitale 3D-Modelle. "Diese errechnen wir mittels sogenannter Structure from Motion (SfM) Software aus Digitalfotos der Grabungsflächen. Diese Modelle machen uns möglich, die Grabungsflächen auch im Büro später dreidimensional von allen Seiten zu betrachten", sagt Mertl.