Keine Gesellschaft lebt ewig - archäologische Ausstellung beleuchtet Megathemen unserer Zeit
Keine Gesellschaft lebt ewig. Diese Tatsache mag erst einmal für Aufregung sorgen – dabei ist es der normale Verlauf der Geschichte. Denn soziale Ungleichheit, Klimawandel, Krankheiten und Epidemien stellten die Menschen bereits in der Vergangenheit vor die Wahl, sich zu verändern, Neues zu wagen oder unterzugehen.
Sieben Umbrüche aus der Vergangenheit
Anhand von sieben großen Umbrüchen aus der Zeit zwischen 15.000 v. u. Z. und dem Beginn unserer Zeitrechnung zeigt die digitale Ausstellung »Alles bleibt anders - Transformationsprozesse in Raum und Zeit«, welche Auslöser zusammenwirkten und zu welchen tiefgreifenden Veränderungen sie geführt haben. Was haben die vor rund 6.000 Jahren auftretenden Trypillia-Großsiedlungen gemeinsam mit der modernen, sozialistischen Kommune »Llano del Rio« (Kalifornien)? Wie haben die Menschen um 2.200 v. u. Z. auf Klimaänderungen auf der Iberischen Halbinsel reagiert? War die Pest eine Pandemie der Steinzeit, und wie verändert Hirse seit der Bronzezeit die Ernährungsgewohnheiten und die Landwirtschaft?
Archäologische Forschung: online, multimedial und für alle verständlich
»Bisher waren die Forschungsergebnisse vor allem einem wissenschaftlichen Fachpublikum vorbehalten«, so Professor Wiebke Kirleis, Projektleiterin und Co-Sprecherin des SFB 1266, »Durch die Ausstellung ist es uns erstmals möglich die gesamte Breite der Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – online, für alle verständlich und interaktiv erlebbar.« Zusammen mit der Grafikdesignagentur DITHO aus Köln hat der SFB 1266 eine aufwendige digitale Ausstellung kuratiert, deren Gestaltungskonzept für eine optisch anspruchsvolle und dabei gut verständliche Wissenschaftskommunikation steht. »Wir verstehen unsere Aufgabe als Designer darin, komplexe Wissenschaftsthemen durch attraktive Gestaltung zugänglich und nahbarer zu machen«, so Dirk Büchsenschütz, Geschäftsführer von DITHO.
Die digitale Ausstellung ist online abrufbar unter: allesbleibtanders.com
SFB 1266 - TransformationsDimensionen - Mensch-Umwelt Wechselwirkungen in Prähistorischen und Archaischen Gesellschaften
Der seit 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich (SFB) 1266 »TransformationsDimensionen« untersucht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Transformationsprozesse vergangener Gesellschaften und das in einem Zeitraum von 15.000 v. u. Z. bis zu dem Beginn unserer Zeitrechnung. In diesem langen Zeitraum befand sich die Welt wiederholt im Wandel und es fanden entscheidende Veränderungen im Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt statt. Die Erforschung der großen Umbrüche der Menschheitsgeschichte steht dabei im Fokus von rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 10 Instituten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) und dem Archäologischen Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig.
Eine Auswahl der Ausstellungsthemen im Überblick
Cities of Quartz – Untergang einer Megasiedlung
Große, stadtähnliche Megasiedlungen, wie wir sie heute kennen, sind in der Vergangenheit nicht einfach immer größer geworden und zu unseren heutigen Städten herangewachsen – stattdessen sind viele von ihnen wieder zusammengebrochen. Ein Beispiel sind die stadtähnlichen Trypillia-Megasiedlungen. Vor rund 6.000 Jahren haben sich in der Waldsteppe östlich der Karpaten Menschen dazu entscheiden, verstärkt in Ballungszentren zu leben. Hierfür planten sie im Voraus ringförmige Siedlungen für tausende Menschen – und damit etwas vollkommen Neuartiges. Die archäologischen Forschungen geben nun Aufschluss darüber, was die Menschen dazu bewogen hat: es war der Wunsch nach sozialer Gleichheit. Auch das Zusammenleben war besonders attraktiv und hielt über 10 Generationen. Doch dann kam der Zusammenbruch. Was war passiert?
Klimaflucht – bei Sonnenschein?
Wer genießt nicht gerne die strahlende Sommersonne? In unserer aktuellen Klimakrise sehen wir jedoch, dass eine pausenlos scheinende Sonne auch Nachteile hat: Hitzewellen, ausbleibender Regen und Missernten zum Beispiel. Das ist heute so und war in der Vergangenheit nicht anders. Doch wie haben es frühere Gesellschaften geschafft, diese natürlichen Klimakrisen mit ihren begrenzten Möglichkeiten zu überstehen? Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erfahren, welche Migrationsbewegungen damals entstanden und wie Menschen begannen, Grundwasser zu fördern.
Die Pest – eine Steinalte Pandemie?
Ein winziger Virus kann unser aller Leben drastisch verändern. Wir erlebten es gerade – auf einmal ist Pandemie. Corona-Wellen, R-Wert, Herdenimmunität, Mortalität, klarkommen mit einer belastenden »neuen Normalität«. Aber ist das tatsächlich so neu? Wie alt sind Pandemien? Und wie kamen Menschen früher mit Seuchen zurecht? Interdisziplinäre Forschungen im SFB 1266 zeigen: Es gibt steinalte Krankheitserreger. Bekannt als der »Schwarze Tod« ist die Pest die verheerendste Pandemie des Mittelalters. Doch tatsächlich ist das Bakterium, Yersinia pestis, mindestens 5.300 Jahre alt, aber führte es auch in der Steinzeit zu einer Pandemie?
Rispenhirse – Superfood der Bronzezeit
Auch in der Vergangenheit waren Menschen gezwungen, aufgrund von anhaltenden Dürreperioden neue Getreidearten anzubauen. So wurde Hirse in der Bronzezeit bereits schon einmal zum Superfood. Denn auch heute ist Hirse ein Hoffnungsträger, weil sie widerstandsfähig gegen Dürre ist. Sie lässt sich leicht anbauen, gut lagern und einfach zubereiten. Hirse, Leindotter und Hafer zeigen in der Bronzezeit eine neue Lust an Vielfalt. Aber warum kommen ausgerechnet in der Bronzezeit plötzlich so viele neue Geschmäcker auf den Tisch und welche Rolle spielte die Rispenhirse dabei?