Katastrophaler als vermutet: Steinzeitlicher Vulkanausbruch verwüstete Südosteuropa

Vor etwa 40.000 Jahren wurde ein großer Teil Europas durch einen Vulkanausbruch verwüstet, der in den phlegräischen Feldern (Campi Flegrei) westlich von Neapel stattfand. Vor Ort zeugen noch Ablagerungen von dem Ereignis, die als »Kampanischer Ignimbrit« bekannt sind. Durch den Vulkanausbruch wurde Asche in die höheren Bereiche der Atmosphäre geschleudert und weit nach Osteuropa getragen. Neue Daten aus Urluia in Rumänien zeigen, dass die Vulkanasche-Ablagerungen in der Steppenlandschaft der Unteren Donau bis zu zehn Mal mächtiger sind als bisher angenommen. Der Ausbruch des Supervulkans, der folglich viel stärker war als berechnet, hatte Auswirkungen auf die Evolution des Menschen in einer Zeit, als moderne Menschen Europa besiedelten und die Neandertaler-Populationen zu schrumpfen begannen.

Nachrichten durchblättern
Fumarole
Fumarole in den Phlegräischen Feldern bei Neapel

In den Campi Flegrei nahe Neapel fand vor etwa 40.000 Jahren der stärkste Vulkanausbruch der vergangenen 200.000 Jahre in Europa statt, bei dem auch der Kampanische Ignimbrit (KI), ein Gemisch aus heißen Gasen, vulkanischer Asche und Gesteinsschmelze gefördert wurde. Diese Naturkatastrophe deckte sich zeitlich mit dem Beginn einer Kälteperiode: Der durch den Ausbruch des Supervulkans bedingte vulkanische Winter trat zeitgleich mit einer kurzen aber extremen »Mini-Eiszeit« auf. Er könnte das harsche Klima dieser Zeit in Europa und weltweit verschärft haben.

Wie explosiv die Super-Eruption tatsächlich gewesen ist, wurde jetzt mithilfe von Computermodellen anhand von Daten zur Mächtigkeit und Menge der Ascheablagerungen sowie zur chemischen Zusammensetzung und Partikelgröße der vulkanischen Förderprodukte errechnet. Die KI-Asche wurde bis weit in die Russische Tieflandebene, in den östlichen Mittelmeerraum und bis nach Nordafrika getragen. Es existieren Daten von einer Reihe von Aschevorkommen in Italien und dem östlichen Mittelmeerraum, auf denen die Computermodelle der Super-Eruption basieren.

Für die 1.500 Kilometer zwischen den Aschefundplätzen auf dem westlichen Balkan und denen in der Russischen Tieflandebene gab es bisher hingegen keine Daten. »Auf der Suche nach neuen archäologischen Fundstellen in den Steppenlandschaften an der Unteren Donau stießen wir auf eine unerwartet mächtige Ascheschicht. Diese Ablagerung ist bis zu 100 Zentimeter dick und damit  wesentlich mächtiger als die von Computermodellen vorhergesagt«, sagt  Dr. Kathryn Fitzsimmons vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. »Obwohl wir kein neues Computermodell des Vulkanausbruchs erstellt haben, deuten unsere Beobachtungen darauf hin, dass die Eruption noch wesentlich verheerender war als bisher angenommen«.

Anhand von geochemischen Analysen an der Vulkanasche konnten die Forscher bestätigen, dass diese tatsächlich ihren Ursprung in dem KI-Ausbruch in Italien hat. Darüber hinaus datierten die Forscher mithilfe der Lumineszenz-Methode, die misst, wann die Sedimente letztmalig dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, die Löss-Ablagerungen in der unmittelbaren Umgebung der Ascheschicht. Die Ablagerung  konnten auf ein Alter von zirka 39.000 Jahren, den Zeitpunkt des KI-Ausbruchs, datiert werden. Darüber hinaus deutet die Beschaffenheit des Sediments  darauf hin, dass die Asche sehr schnell abgelagert wurde. Am Kontakt der Asche mit dem darunter liegenden Löss sind Abdrücke von Pflanzen sowie Grabspuren sichtbar, die möglicherweise Fluchtwege wirbelloser Tiere darstellen. »Unsere Studie in Rumänien belegt die rasche  Ablagerung einer mächtigen Schicht relativ grobkörniger, weit transportierter Vulkanasche, deren Ursprung die 1.200 Kilometer entfernte KI-Super-Eruption war«, sagt Fitzsimmons.

Welche Auswirkungen hatte die Ascheablagerung auf Menschen, Klima und lokale Ökosysteme? Messungen belegen den Beginn einer Kälteperiode unmittelbar nach der Ascheablagerung. Chemische Reaktionen zwischen sauren Vulkangasen und der Feuchtigkeit in Luft und Boden haben darüber hinaus offenbar zu saurem Regen und einer Übersäuerung der Böden in der Aschefall-Zone geführt. Eine Kontaminierung der Trinkwassersysteme sowie Fluoridvergiftungen bei Pflanzenfressern, die sich von der Vegetation ernährt haben, wären die Folge gewesen. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf Menschen, die vergiftete Pflanzen und Tiere aßen, vergiftetes Wasser tranken und ebenfalls unter Fluoridvergiftung und damit verbundenen Knochendeformierungen gelitten haben könnten. Außerdem kann Vulkanasche eine Reihe von Atemwegserkrankungen mit Todesfolge verursachen.

Jetzt, da die Forscher die Verbreitung der KI-Ascheablagerungen im südöstlichen Rumänien besser eingegrenzt haben, werden sie ihre Suche nach archäologischen Fundstellen noch verstärken und dabei speziell auf die Aschezonen abzielen, die direkte Einblicke in die Auswirkungen der KI-Super-Eruption auf menschliche Populationen an den Toren Europas geben könnten. »Unsere Entdeckung zeigt nicht nur, dass aktuelle Computermodelle in Hinblick auf die Größenordnung dieses Vulkanausbruchs überprüft werden müssen. Der Vulkanausbruch könnte Menschengruppen und ihre  Überlebensfähigkeit in einer Region erheblich beeinflusst haben, die für die Einwanderung anatomisch moderner Menschen nach Europa eine strategische Bedeutung hatte«, sagt Fitzsimmons.

Das Forschungsprojekt

Die Studie ist Teil des internationalen Forschungsprojekts »Lower Danube Survey for Palaeolithic Sites«. Es befasst sich mit menschlichen Siedlungen im Unteren Donaubecken und den dortigen Lebensbedingungen während der Steinzeit. Federführend sind hier das archäologische Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (Monrepos, RGZM) in Neuwied und das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Der Lehrstuhl für Geomorphologie an der Universität Bayreuth unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Zöller trägt mit Daten aus eigenen Forschungsarbeiten wesentlich dazu bei, dass die Umweltbedingungen, wie sie vor etwa 20.000 bis 50.000 Jahren herrschten, mit hoher Genauigkeit rekonstruiert werden können. Rumänische Projektpartner sind die Institute für Archäologie und Höhlenforschung der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, Bukarest. An der in PLOS ONE veröffentlichten Studie zum »Kampanischen Ignimbrit« haben auch Forscher der Babes-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca, Rumänien, mitgewirkt.

 

Veröffentlichung

Kathryn E. Fitzsimmons, Ulrich Hambach, Daniel Veres, Radu Iovita,
The Campanian Ignimbrite Eruption: New Data on Volcanic Ash Dispersal and Its Potential Impact on Human Evolution,
in: PLOS ONE, June 17, 2013. doi: 10.1371/journal.pone.0065839



Ausgrabung bei Urluia
Kathryn Fitzsimmons an der Ausgrabungsstätte in Urluia / Rumänien. Foto © MPI für evolutionäre Anthropologie