Kapellenberg: ein Fundplatz mit europäischer Bedeutung - vor 6.000 Jahren und heute
An der diesjährigen Untersuchungsstelle ist der Aufbau des westlichen Flankenwalles zu erkennen, der offenbar über einer Brandschicht aufgeschüttet wurde. Sichtbar sind mehrere Schüttungsphasen, deren zeitliche Stellung zueinander noch unklar ist. In der Brandschicht fand sich Keramik und Holzkohle. Insbesondere die Holzkohle wird für die genaue Datierung wichtig werden. Die in der nächsten Woche endende Grabung wurde ausgerichtet vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Kooperation mit der hessenARCHÄOLOGIE und unterstützt von der Stadt Hofheim.
Anhand der bisherigen Grabungen und beginnenden Analysen von 3D-Geländemodellen zeichnet sich ein komplexes System von aufeinander folgenden Befestigungen ab, von denen einige heute kaum noch sichtbar, andere aber wiederum ausgezeichnet erhalten sind. So hatte die Erosion im Bereich der jetzigen Grabung über die Jahrtausende wenig Angriffsfläche gefunden, so dass der Wall dort noch ausgezeichnet erhalten ist. Kaum sichtbar ist jedoch ein innerer Wall, der die eigentliche Siedlungsfläche umschließt. Dennoch soll dieser und zusätzliche Bereiche der Innenfläche in den nächsten Jahren untersucht werden.
Im Inneren hatte sich einst eine Siedlung mit vielleicht hunderten von Häusern befunden, deren maximale Einwohnerzahl 7.000 Personen umfasst haben könnte. Der Kapellenberg lag an einem jungsteinzeitlichen Fernwegenetz, über das vielleicht Salz aber auch kostbare Steinbeile zwischen Mitteldeutschland sowie West- und Südfrankreich gehandelt wurden.
»Mit seinem Alter von 6.000 Jahren ist der Kapellenberg eines der faszinierendsten jungsteinzeitlichen Bodendenkmäler im Rhein-Main-Gebiet aber auch darüber hinaus für Europa - sowohl aus historischer als auch aus denkmalpflegerischer Sicht«, erläuterte Prof. Dr. Detlef Gronenborn, Projektleiter am RGZM, anlässlich des Pressetermins am 9. August 2012. Die Hofheimer Bürgermeisterin Gisela Stang sagte: »Die Funde aus der Michelsberger Kultur werten unseren Kapellenberg noch weiter auf. Zu seiner Bedeutung als Naherholungsziel kommt nun eine wichtige historische Dimension hinzu. Darauf sind wir stolz und hoffen, dass die Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können«.
Prof. Dr. Angela Kreuz, Archäologin bei der Archäologischen und Paläontologischen Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, erklärte, dass das Landwirtschaftssystem der Michelsberger Kultur derzeit noch völlig rätselhaft sei. »In Hessen konnten bislang erst von elf Fundstellen Bodenproben untersucht werden. Es finden sich regelmäßig vier Getreidearten (Einkorn, Emmer, Gerste und Nacktweizen), selten Hülsenfrüchte (Erbse und Linse). Öl- und Faserpflanzen, die in den Jahrhunderten zuvor bekannt waren, fehlen seltsamerweise. Stattdessen gibt es ein reiches Spektrum an gesammeltem Wildobst. Wir sind sehr gespannt, was die Ausgrabungen am Kapellenberg dieses Jahr an neuen Erkenntnissen zu Landwirtschaft und Ernährung bringen werden«.