Vom Elbufer bei Hittbergen südlich von Hamburg bis zum Gasspeicher bei Rehden im Osnabrücker Land durchzieht die Nordeuropäische Erdgas-Leitung (NEL) Niedersachsen. Dem Bau der Pipeline-Trasse ging die umfangreichste Ausgrabung voraus, die das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (NLD) je zu bewältigen hatte. »Im Vorfeld des Pipelinebaus haben die Experten der Niedersächsischen Bodendenkmalpflege über sieben Millionen Quadratmeter Fläche vollständig archäologisch untersucht. Dieser bislang größte Grabungsschnitt, der jemals in Niedersachsen angelegt wurde, war ein gigantisches logistisches Unternehmen «, so Gabriele Heinen-Kljajiæ, Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur. In der Ausstellung, die von der Kulturstiftung der Länder gefördert wird, werden die zum Einsatz gebrachten modernen Methoden und Verfahren der Dokumentation, Bergung und Analyse von archäologischen Funden und Befunden erläutert und veranschaulicht. »Was vor drei Jahren mit den ersten Ausgrabungen begann, findet nun einen ersten Höhepunkt in der zusammen mit dem Landesmuseum konzipierten und erarbeiteten Ausstellung«, so Dr. Stefan Winghart, Präsident des NLD.
Die Ausstellung bilanziert den Erkenntnisertrag der Partnerschaft von Archäologie und Energieversorgung. Für Dr. Christoph von dem Bussche, Geschäftsführer der NEL Gastransport GmbH, ist die Ausstellung ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Pipeline-Bauern und Archäologen. »Das Verständnis für die Arbeit der anderen Seite und der Respekt davor sind groß. Und beides ist im Laufe des NEL-Baus weiter gewachsen«, betont von dem Bussche. Die Untersuchung der historischen Kulturlandschaft entlang der Pipeline ermöglicht den Rückblick in die uralte Geschichte der Bemühungen des Menschen, sich Dinge und Substanzen aus weit entfernten Gebieten zugänglich zu machen. In den gezeigten archäologischen Funden werden Komplexität und Reichweite des ökonomischen Beziehungsgeflechtes der ur- und frühgeschichtlichen Bevölkerung Niedersachsens erkennbar.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der europaweit bedeutsame Goldschatz von Gessel. Mit einem Gewicht von 1,7 Kilo gehört er zu den größten bronzezeitlichen Goldschätzen des alten Kontinents. Im 14. Jahrhundert v. Chr. wurde er verborgen und nun nach rund 3500 Jahren im Boden durch die Grabungen auf der NEL-Trasse zurück ans Tageslicht befördert. »Dieser sensationelle Hortfund wird unser Bild von der bronzezeitlichen Ökonomie vielleicht tiefgreifend verändern«, so Dr. Babette Ludowici, Kuratorin der Ausstellung. Erste Analysen an einigen der insgesamt 117 Einzelobjekte des Schatzes im Institut für anorganische Chemie der Universität Hannover zeigen, dass das verarbeitete Gold möglicherweise aus Zentralasien stammen könnte.
Ein weiterer besonderer Fund wurde an der Ostseeküste bei Lubmin in Mecklenburg- Vorpommern, dem Anlandungspunkt der Ostsee-Pipeline Nord Stream gemacht. Dort bargen Unterwasserarchäologen das Wrack einer Hansekogge aus dem 15. Jh. n. Chr., die als Fracht mehr als eineinhalb Tonnen Kupferbarren geladen hatte. »Der Austausch von begehrten Rohstoffen ist von jeher die Grundvoraussetzung einer funktionierenden Wirtschaft. Er ist keine Erfindung unserer globalisierten Welt. Mit dem Goldschatz von Gessel, den Kupferbarren aus Lubmin und vielen weiteren Funden aus ganz Niedersachsen können wir den Besuchern der Ausstellung einmalige Einblicke in die Geschichte des Rohstofftransfers bis zum Transport von Erdgas aus Russland nach Europa geben«, so Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover.
Info
Sonderausstellung »Im Goldenen Schnitt. Niedersachsens längste Ausgrabung«
23.08.2013 - 02.03.2014
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Willy-Brandt-Allee 5
D-30169 Hannover
Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 10 - 17 Uhr, Donnerstag 10 - 19 Uhr, montags geschlossen
Anlässlich der Funde auf der NEL-Trasse untersucht die kestnergesellschaft in ihrer Ausstellung »Der Schein« die Bedeutung von Glanz und Gold in der zeitgenössischen Kunst. Besucher der Ausstellungen »Im Goldenen Schnitt« und »Der Schein« erhalten in der Zeit vom 23. August bis 3. November 2013 mit ihrer Eintrittskarte ermäßigten Eintritt in die jeweils andere Ausstellung.