Denn Präzision ist nicht unbedingt das Stichwort, mit dem die Wissenschaft die historischen Quellen über Herodes umschreiben würde. "Vielmehr", so die Bochumer Historikerin Prof. Linda-Marie Günther und Herausgeberin des soeben erschienenen Bandes "Herodes und Rom", "erschweren die extrem tendenziösen Überlieferungen über den König von Judäa eine Bewertung seiner historisch-politischen Leistungen, so bieten doch archäologische Forschungsergebnisse ein anderes, zumindest teilweise korrigiertes Bild von Herodes, nämlich das eines großen und offenbar begeisterten Bauherren und Stadtgründers".
Herodes war im Römischen Reich unter Kaiser Augustus nahe der Grenze des Partherreiches ein Garant für Effizienz der neuen Friedensordnung. Seine Herrschaft brachte auch der Levante die Segnungen der pax Augusta und eine ökonomische wie kulturelle Blütezeit. Dennoch: Kaum eine biblische Gestalt ist so umstritten wie König Herodes: War er ein grausamer Tyrann und williger Handlanger Roms? Oder ein geschickter Diplomat, der sein Reich Judäa erfolgreich konsolidierte? Wissenschaft und Öffentlichkeit schwanken auch heute noch zwischen Ablehnung und Anerkennung.
Nicht nur die extrem tendenziösen Überlieferungen über den König von Judäa (Flavius Josephus; Evangelisten im Neuen Testament) erschweren eine Bewertung seiner Konsolidierungsleistungen, sondern auch dem Zeitgeist geschuldete Vorstellungen über die Vereinbarkeit von Autonomie und Vasallenstatus. Somit stellt Judäa unter König Herodes (40-4 v. Chr.) letztlich ein historisches Exempel dar für Möglichkeiten und Grenzen, eine Krisenregion an neue Machtverhältnisse und Machthaber anzupassen.
Die neue Publikation versammelt die Vorträge, die im April 2006 auf einer Tagung in Bochum gehalten worden sind und die sich unter anderem neben seinem Verhältnis zu Rom und Augustus, auch mit seinen Bauten in Hebron und Mamre, sowie seiner Hofhaltung befassen. Die nächste Tagung zu Herodes steht unmittelbar bevor und findet am 29.6.2007 unter dem Titel "Herodes (d. Gr.) und die Juden" in Bochum statt.
Linda-Marie Günther (Hg)
Herodes und Rom.
Franz Steiner Verlag
Stuttgart 2007
ISBN: 978-3-515-09012-4