Handwerken wie vor 7000 Jahren

Über tausende von Jahren galt Holz als der wichtigste Rohstoff schlechthin. Von Haushaltswaren bis zu Bauwerken, die Handwerkerinnen und Handwerker vieler Epochen schufen kleine und große Kunstwerke, aber auch die Grundlagen des alltäglichen Lebens aus dem natürlichen Material. Doch das "Wie" ist dabei heute oft ein Rätsel. Freiwillige in der Denkmalpflege suchen nun nach Antworten.

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Das Spalten der Stämme ist keine einfache Aufgabe
Das Spalten der Stämme ist keine einfache Aufgabe. (© Lars Görze M.A., LfDH)

Im Jahr 2024 sind rund 42 Prozent Hessens von Wald bedeckt. Als vor rund 7.000 Jahren die Siedler der Bandkeramischen Kultur ihre Siedlungen in den fruchtbaren Ebenen errichteten, dienten ihnen die noch wesentlich größeren hessischen Wälder als Quelle ihres wichtigsten Rohstoffes: Holz. Heute sind uns von diesen Bauwerken nur noch die Spuren der Pfostenlöcher im Boden erhalten. Umso erstaunlicher ist ein Fund aus Heppenheim, den Archäologinnen und Archäologen im Jahr 2018 entdeckten. Neben den Spuren von 27 Häusern der Bandkeramik aus der Zeit zwischen 5100 und 5000 v. Chr. fand das Grabungsteam einen Brunnen mit gut erhaltenen Brunnenhölzern. Es handelt sich bei dem Brunnen um nicht weniger, als das älteste erhaltene Holzbauwerk Hessens. Seinen guten Erhaltungszustand verdankt der Brunnen dem noch immer hoch anstehenden Grundwasser, welches die Hölzer konservierte. Diese Hölzer dient nun Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Freiwilligen Jahr in der Denkmalpflege als Vorbild, um auf der Zeiteninsel Herstellung und Bau des Brunnens auf den Grund zu gehen. Die Brunnenhölzer des Vorbildes selbst wurden nach der Dokumentation geborgen und werden derzeit im LEIZA in Mainz konserviert, um sie für die Zukunft zu erhalten.

Experimentelle Archäologie auf der Zeiteninsel

Die Idee, den Brunnen im Rahmen eines Experimentes durch Freiwillige nachzubauen zu lassen, entstand aus der langjährigen Zusammenarbeit der Außenstelle Darmstadt der hessenARCHÄOLOGIE mit der Jugendbauhütte Hessen-Marburg. Die Außenstelle stellt seit vielen Jahren eine von vier Einsatzstelle für das Freiwillige Soziale Jahr in der Bodendenkmalpflege am Landesamt für Denkmalpflege dar. Außenstellenkoordinator Dr. des Thomas Becker war es ein besonderes Anliegen, den Freiwilligen auf diesem Weg einen einzigartigen Einblick in die Handwerkskunst der Jungsteinzeit zu bieten.

Für die Archäologie war der Fund der Brunnenhölzer an sich schon eine Sensation. Das wir diesen Fund nun nutzen können, um bei den Freiwilligen ein Gefühl für die Handwerkskunst einer längst vergangenen Zeit zu wecken, ist großartig.

Dr. des. Thomas Becker Koordinator der Außenstelle Darmstadt

Unter der Anleitung von Oliver Dahn, Leiter der Jugendbauhütte Hessen-Marburg, und zwei versierten Zimmermännern arbeiten die Freiwilligen daran, mit handgefertigten Werkzeugen aus vergleichbaren Stämmen eine Replik des Brunnens zu bauen. Auch die Werkzeuge selbst basieren auf archäologischen Erkenntnissen. Denn den Freiwilligen geht es nicht in erster Linie um das reine Ergebnis eines Brunnennachbaus. Vielmehr versuchen sie herauszufinden, wie vor 7000 Jahren mit einfachem Werkzeug aus massiven Stämmen ein funktionierender Brunnen geschaffen werden konnte, der die Jahrtausende überdauerte. Ziel ist dabei vor allem das Experimentieren der Technik, weniger die Rekonstruktion der Werkzeuge.

Als Arbeitsstätte dient ihnen die Zeiteninsel im Marburger Land. In dem archäologischen Freilichtmuseum arbeiten Expertinnen und Experten schon seit vielen Jahren daran, der Handwerks- und Baukunst vergangener Kulturen auf den Grund zu gehen. Eines der Ergebnisse ist dabei unter anderem ein Haus aus der Jungsteinzeit.

Der Brunnennachbau selbst soll Anfang 2025 im Rahmen einer Sonderausstellung zur Archäologie in Südhessen im Stadtmuseum Bensheim erstmals präsentiert werden.

Der original Brunnen in seinem Fundzustand
Der original Brunnen in seinem Fundzustand.(© Ralf Klausmann, LfDH)