Bei der aktuellen Grabungskampagne des Naturhistorischen Museums Wien am Hallstätter Salzberg stießen Archäologinnen und Archäologen auf viele neue Funde. Am bemerkenswertesten ist dabei ein Brandgrab mit noch sehr gut erhaltenen Bronzebeigaben. Bei der fachmännischen Bergung der Metallfunde konnten sensationell gut erhaltene Gewebereste festgestellt werden.
»Doch nicht nur der gute Erhaltungszustand der mit in das Grab gelegten Tracht- und Schmuckstücke ist bemerkenswert«, erklärt Mag. Johann Rudorfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien und Leiter der Obertag-Forschungsgrabungen, »sondern auch die Tatsache, dass wir noch eine klar erkennbare Grabgrube feststellen konnten, begeistert uns. Das Areal wurde im 19. Jahrhundert großflächig archäologisch untersucht, aber gewissen Details, wie zum Beispiel der Grabkonstruktion, wurde damals wenig Beachtung geschenkt«.
Aktuell errichtet die Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich ein Steinschlagwerk, das den Ort Hallstatt vor Felsbrüchen schützen soll. Dieses Bauvorhaben quert genau das eisenzeitliche Gräberfeld, das 1846 vom Bergmeister der Saline Johann Georg Ramsauer (1795–1874) entdeckt und bis 1863 systematisch archäologisch untersucht wurde.
Ramsauer entdeckte damals rund 1.000 Gräber mit reichen Beigaben, die Gegenstände seiner Grabungen kamen größtenteils nach Wien. Von seinen Grabungen existieren umfangreiche Protokolle, Grabbeschreibungen und Gräberfeldpläne sowie viele Aquarelltafeln mit Grabanlagen und Fundtypen. Seine akribische Arbeit, insbesondere die genaue Dokumentation der reichen Grabinhalte, trug dazu bei, dass der Fundort namensgebend für eine ganze Epoche der europäischen Kulturgeschichte wurde, die Hallstattzeit.
Die aktuellen Verbauungen sind nun Anlass, die Untersuchungen am eisenzeitlichen Gräberfeld aus dem 19. Jahrhundert neu aufzurollen und zu überprüfen.
Anhand der Lage des neuen Grabes schließen die Wissenschaftler darauf, dass es sich um ein damals unerkanntes, in sich noch geschlossenes Grab handelt, das nicht ausgegraben wurde und sich deshalb an Ort und Stelle erhalten hat.
Zu den Grabfunden zählt ein massiver, gerippter Armring der wohl am Oberarm getragen wurde. Daneben lagen Spiralen aus dünnem Bronzedraht über einem Häufchen aus Leichenbrand (den verbrannten Knochen), die wohl Teile von Fibeln, also Gewandschließen, darstellen. Die Klinge eines Bronzemessers mit an der Griffplatte noch anhaftenden Spuren eines Holzgriffs und ein Eisenbleich, das eventuell als Teil eines Gürtelbeschlags angesehen werden kann, sowie ein Tierknochen als Rest einer Speisebeigabe komplettieren das Fundensemble. Alle Gegenstände wurden wohl intentionell zerbrochen bzw. verbogen, was vermutlich auf den damals herrschenden Bestattungsritus zurückgeführt werden kann: »Vielleicht hielt man es für angebracht, die Beigaben rituell zu zerstören, um sie als Beigaben für das Totenreich nutzen zu können«, erklärt Johann Rudorfer weiter, »denn auch der Köper wurde durch das Verbrennen ja ‚zerstört‛«.
Die wirkliche Sensation wurde erst bei der Bergung der Fundstücke ersichtlich: Sehr akribisch löste man jedes Stück einzeln aus dem dicht aneinanderheftenden Komplex. Dabei wurden an den Unterseiten der Spiralscheiben noch gut erkennbare Abdrücke eines Stoffgewebes sichtbar, die im Zuge eines langwierigen Mineralisierungsprozesses im Boden konserviert wurden. Darüber könnte sich erstmals der Nachweis für ein organisches Behältnis erbringen lassen, in das der Leichenbrand eingefüllt war, als er in den Boden gelegt wurde. Im Gegensatz zu anderen, zeitgleich genutzten Friedhöfen der Hallstatt- und frühen Latènezeit, wurden in Hallstatt bislang Urnen nur selten angetroffen. »Meist finden wir nur ein Häufchen mit dem Knochenklein und etwas Asche, das aber so kompakt liegt, dass wir schon immer kleine Säcke aus Stoff oder Leder vermuten konnten. Nun wurde wohl auch dafür der Beweis erbracht«, freut sich der NHM Wien-Archäologe.
Obwohl nur ein Prozent der von der Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich für das neue Steinschlagwerk gerodeten Fläche archäologisch untersucht wird, können wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse vermeldet werden. »So wissen wir nun, dass durch die Altgrabungen wohl bei weitem nicht alle Grabbefunde erfasst wurden. Auch der Umgang mit nicht in museale Einrichtungen beförderten Funden wird durch das Antreffen weiterer Streufunde und einzelner menschlicher Knochenhaufen, die aus Körperbestattungen stammen, klar. Diese wurden nach der zeichnerischen Dokumentation aus den Gräbern entnommen, um sie in deren unmittelbaren Nähe im Boden abzulagern«, ergänzt Rudorfer.
Das Gräberfeld im Hochtal oberhalb des Ortes Hallstatt ist einer der wichtigsten prähistorischen Bestattungsorte Europas. Bereits mehr als 1.500 Gräber konnten bislang freigelegt und dokumentiert werden. Gefunden wurden dabei zahlreiche Grabbeigaben, teilweise prachtvolle Gefäße, Waffen und Schmuck, die den durch Salzabbau und -handel entstandenen Wohlstand und weitreichende Handelsbeziehungen belegen. Hochrechnungen sprachen bislang von geschätzten 5.000 Bestattungen, die sich im unteren Bereich des Hochtals am Salzberg befunden haben sollen. Durch eine nachweislich noch höhere Belegungsdichte, die bei der jüngsten Grabung festgestellt werden konnte, wird diese Schätzung wohl noch erheblich anwachsen.
Während das Gräberfeld gut dokumentiert ist, weiß man über die Siedlungsgeschichte des Hallstätter Salzbergs noch relativ wenig. Im Rahmen der jährlichen Forschungsgrabung des NHM Wien, die mit Unterstützung der Salzwelten und der Salinen Austria AG an einer anderen Stelle im Hochtal durchgeführt wird, versuchen die Wissenschafter*innen, einen noch tiefer unter den Gräbern liegenden hölzernen Gebäudekomplex aus der Spätbronzezeit (1.200 – 800 v. Chr.) vollständig zu erfassen. Dort muss die Untersuchungsfläche in den nächsten Jahren sukzessive erweitert werden, und vermutlich wird das Team zunächst auf weitere Gräber stoßen, die dort erst viel später angelegt wurden. Die Erforschung des eisenzeitlichen Friedhofs ist also noch lange nicht abgeschlossen. Mit modernen Grabungs- und Dokumentationsmethoden werden sich auch hier weitere, bislang noch unbeantwortete Forschungsfragen klären lassen.