Dr. Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege, und Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege, erklären im Interview, was ihnen Sorge an den geplanten Veränderungen bereitet.
Wie ist Ihre Einschätzung zur geplanten Änderung des Denkmalschutz-Gesetzes?
Andrea Pufke: »Ich habe zum ersten Mal wirklich große Sorgen um die Baudenkmäler im Rheinland. Denn die Stellung der Denkmalfachämter für Baudenkmalpflege wird in vielen Punkten entscheidend geschwächt und das vorhandene Wissen gar nicht mehr abgerufen. Denkmalschutz und Denkmalpflege sind dann erfolgreich, wenn sich alle Beteiligten gemeinsam für die Erhaltung der Denkmäler einsetzen: Menschen, die ein geschütztes Haus bewohnen und pflegen, die Unteren Denkmalbehörden in den Städten und Gemeinden, die vor Ort unterstützen und entscheiden, und das Denkmalamt beim Landschaftsverband Rheinland, das sein Fachwissen in die Beratung und Betreuung von Maßnahmen einbringt. Das klappt in der Regel auch sehr gut, wie auch die jüngste Evaluierung des Gesetzes gezeigt hat. Doch dieses Zusammenspiel gerät durch das neue Gesetz in Schieflage. Die Fachleute der Denkmalämter für die Baudenkmalpflege sollen beispielsweise künftig nur noch angehört, aber an Entscheidungen nicht weiter beteiligt werden, selbst wenn ein Denkmal abgebrochen oder stark verändert werden soll. Darin sehe ich eine große Gefahr für die Zukunft der Denkmäler, die auf diese Weise leicht kurzfristigen, oft wirtschaftlichen Interessen zum Opfer fallen können.«
Erich Claßen: »Vorausgeschickt sei, dass wir sehr gut mit dem bisherigen Gesetz, das 2013 für die Bodendenkmalpflege in wesentlichen Punkten novelliert wurde, hätten weiterarbeiten können. Der jetzige Entwurf beinhaltet zwar einige begrüßenswerte Änderungen, regelt leider aber die Verfahren unklarer als im bestehenden Gesetz und es ist zu befürchteten, dass dadurch nicht alle erhofften Erleichterungen für Kommunen sowie Eigentümerinnen und Eigentümer wirklich eintreten werden.«
Betreffen die Änderungen die Denkmalpflege und Bodendenkmalpflege gleichermaßen?
Erich Claßen: »Gleichermaßen sicher nicht, aber es werden auch grundsätzliche Punkte geändert die beide Fachrichtungen betreffen. So zum Beispiel, dass jetzt als erste Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege die wissenschaftliche Erforschung benannt wird, während Schutz und Pflege von Denkmälern erst an dritter bzw. vierter Stelle folgen. Das ist – nicht nur aus meiner Sicht – eine bemerkenswerte Verschiebung der Prioritäten in einem Denkmalschutzgesetz.
Für die Bodendenkmalpflege im Speziellen gibt es einige positiv zu bewertende Aspekte, aber manches wird dem Schutz von Bodendenkmälern auch nicht unbedingt zuträglich sein. Zum Beispiel soll nun die Obere Denkmalbehörde beim Kreis oder der Bezirksregierung direkt über das Ob und Wie eines Eingriffs in ein Bodendenkmal entscheiden. Bislang hatte die Untere Denkmalbehörde in der Kommune vor Ort in einem ersten Schritt zu beurteilen, ob ein Eingriff überhaupt erlaubt werden kann. Dies könnte dazu führen, dass die Frage des Denkmalerhalts künftig gar nicht mehr gestellt, sondern direkt die Ausgrabung genehmigt wird. Diese hat, auch wenn sie noch so gut durchgeführt und dokumentiert wird, immer die Zerstörung des Bodendenkmals zur Folge.«
Andrea Pufke: »Die Baudenkmalpflege ist deutlich stärker betroffen. Sie muss zwar im Rahmen einer Anhörung beteiligt werden, aber sie verliert ihre Mitwirkungsrechte bei allen Entscheidungen im Denkmalschutz. Es ist zu befürchten, dass die Fachexpertise der Denkmalämter für Baudenkmalpflege bei den Landschaftsverbänden nicht mehr in die Entscheidungen einfließt – zum Nachteil der Denkmäler und deren Eigentümerinnen und Eigentümer. Im neuen Gesetz sind viele Verfahren für die Baudenkmalpflege ganz anders geregelt als für die Bodendenkmalpflege. Dazu gehören grundlegende Dinge wie die Eintragung in die Denkmalliste oder die Erteilung einer Erlaubnis, wenn ein Denkmal saniert oder verändert werden soll. Aus meiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund, Baudenkmalpflege und Bodendenkmalpflege künftig unterschiedlich zu behandeln, zumal die unterschiedlichen Verfahren einen höheren Verwaltungsaufwand bedeuten und kleinere Denkmalbehörden überfordern dürften.«
Was und wer soll mit den Änderungen erreicht werden?
Andrea Pufke: »Diese Frage kann nur das zuständige Ministerium selbst beantworten. Es ist für mich schwer nachvollziehbar, warum ein Gesetz zum Schutz von Denkmälern genau die Instanz schwächt, die die höchste fachliche Kompetenz hat. Stellen Sie sich ein Ärzteteam vor, das einen Patienten gründlich untersucht und eine Diagnose stellt, dann aber keinen Einfluss auf dessen Behandlung hat. Vermutlich will der Gesetzgeber Verfahren vereinfachen, die Rechte von Städten und Gemeinden stärken und die Reduzierung von Konflikten erreichen. Tatsächlich führt aber nur ein Bruchteil aller Verfahren zu Konflikten, auch wenn diese oft das Bild der Denkmalpflege in der Öffentlichkeit prägen. Und manchmal gehört es zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung auch dazu, um den richtigen Weg für das Denkmal intensiv zu diskutieren. Ich sehe nicht, dass durch das neue Gesetz hier eine Verbesserung im Sinne der Denkmäler erreicht wird, ganz im Gegenteil. Und das trifft ebenso auf die Verfahrensabläufe zu. Nach der neuen Gesetzeslage wird etwa eine Villa als Denkmal in einem anderen Verfahren eingetragen als der dazugehörende Garten. Ich frage mich ernsthaft, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll?«
Gibt es auch Vorschläge, die Sie befürworten?
Erich Claßen: »Ja, die gibt es, wenn sich auch leider im Gesetzestext noch nicht an allen Stellen erkennen lässt, wie genau sich der Gesetzgeber die Umsetzung vorstellt. Positiv ist auf jeden Fall, dass jetzt das vermutete Bodendenkmal verankert wird, denn damit genießen auch diese den umfassenden Schutz des Gesetzes. Zu befürworten ist, dass die Benehmensherstellung für die Bodendenkmalpflege als wichtiges gesetzliches Instrumentarium beibehalten wird. Für das archäologische Erbe ist es sicherlich positiv, dass das Land bewegliche Bodendenkmäler nun an diejenigen übertragen kann, die sicherstellen können, dass die Objekte sachgerecht behandelt und aufbewahrt werden.«
Andrea Pufke: »Die Denkmalförderung und die Einsetzung des schon im bestehenden Gesetz vorgesehenen Denkmalrats sind sinnvolle Punkte. Erfreulich ist auch, dass jetzt für Denkmalbereiche ein Umgebungsschutz vorgesehen ist oder dass die Unterschutzstellung eines Gebäudes ins Grundbuch eingetragen werden soll. Aber das sind insgesamt eher Marginalien.«
Wie würde sich Ihre Arbeit konkret verändern, wenn das Gesetz kommt?
Andrea Pufke: »Das kann ich jetzt noch nicht abschätzen, denn bei vielen Themen habe ich keine Vorstellung, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll. Dazu gehört etwa die ungleiche Behandlung von Baudenkmälern und Gartendenkmälern. Gravierende Änderungen ergeben sich bei kirchlichen Denkmälern, denn Kirchen und Religionsgemeinschaften bekommen weitreichende Sonderrechte. Sehr einschneidend ist darüber hinaus, dass die Denkmalfachämter für Baudenkmalpflege bei den Landschaftsverbänden künftig nicht mehr das Recht haben sollen, die Eintragung eines Gebäudes in die Denkmalliste zu beantragen. Denkmäler zu erfassen und ihren Denkmalwert in Gutachten zu beurteilen gehörte bisher zu unseren zentralen Aufgaben. Wie und ob dieses Fachwissen in Zukunft eingesetzt werden soll, ist völlig unklar.«
Erich Claßen: »Nun, das ist davon abhängig, wie bestimmt Paragraphen noch durch Rechtsverordnungen konkretisiert würden. Klar ist jetzt schon, dass die Führung der Denkmalliste für Bodendenkmäler durch das Fachamt für Bodendenkmalpflege der Entlastung der Unteren Denkmalbehörden dient. Diese Entlastung bedeutet aber, die Übertragung einer zusätzlichen neuen Aufgabe an den Landschaftsverband Rheinland.«
Was ist Ihre Vorstellung von zukunftsorientiertem Denkmalschutz?
Erich Claßen: »Ein zukunftsorientierter Denkmalschutz ist nur dann zu erreichen, wenn man auch eine nachhaltige Bodendenkmalpflege betreibt, das heißt der Fokus sollte auf dem Denkmalerhalt liegen. Darum geht es uns schon seit vielen Jahren, weshalb wir unsere Kenntnisse konstruktiv in Planungsverfahren einbringen. Unsere verbindliche und rationale Argumentation wird auch von Kommunen, Bauträgern sowie Eigentümerinnen und Eigentümern in der Regel akzeptiert. Es wird also auch in Zukunft darum gehen, unser reiches archäologisches Erbe möglichst zu erhalten und natürlich auch öffentlich bekannt zu machen. Hierbei kann auch die digitale Veröffentlichung der Informationen zu Bodendenkmälern ein Weg sein, den wir durch die jetzt vorgesehene Aufgabenübertragung auch offensiver angehen könnten. So würde mehr Menschen eine Teilhabe an der Archäologie im Rheinland ermöglicht, was – so meine Hoffnung – auch eine noch höhere Akzeptanz der Belange des Denkmalschutzes erzeugen kann. Es geht schließlich um unser gemeinsames kulturelles Erbe im Rheinland.«
Andrea Pufke: »Denkmäler sind positive Standortfaktoren: Sie prägen das Bild unserer Städte und geben uns Lebensqualität. Sie sind Zeugnisse unserer Kultur und Geschichte, die allen Menschen Tag für Tag, auf Schritt und Tritt begegnen. Sie stehen für Dauer, Bindung, Identifikation und Heimat. Sie sind der Inbegriff von Nachhaltigkeit. Das ist wichtig in einer Welt, die immer schnelllebiger und komplexer wird, die Ressourcen oft rücksichtslos verbraucht und verschwendet. Denkmäler stehen nicht unter einer Käseglocke – auch wenn das oft behauptet wird –, sie sind Teil unserer Lebenswelt, werden von Menschen genutzt und mit Leben gefüllt. Wir brauchen Denkmäler für unsere Zukunft und für die Zukunft unserer Kinder. Wieviel ärmer wäre eine Welt ohne Denkmäler? Die Verantwortung für die Erhaltung des baulichen Erbes liegt bei uns allen. Diese Verantwortung zu erkennen und diese Herausforderung anzunehmen, das ist für mich ein zukunftsorientierter Denkmalschutz.«