Nicht nur im Museum, sondern auch in der Baugrube davor sind derzeit kulturhistorische Objekte zu entdecken. Anlass der voraussichtlich noch bis September andauernden Grabung ist der Neubau des Museums, der im Frühjahr 2009 beginnen soll. "Uns ist es sehr wichtig, dass dieser Bereich noch vor den Baumaßnahmen archäologisch untersucht wird, denn danach wird das neue Museumsgebäude diesen Platz hoffentlich über viele Jahre belegen", sagt Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold.
Das Ziel der Grabung ist es, Erkenntnisse für die Nachwelt zu sichern, die das Bodendenkmal in sich birgt. "Unser Augenmerk richtet sich vor allem auf die frühe Besiedlungsgeschichte des Domplatzes über die wir vieles noch nicht wissen. Es gibt für diese Zeiten keine Schriftquellen und keine Pläne. Jede einzelne Fläche, die einen zusätzlichen Einblick in den Boden verschafft, ist daher wichtig für uns", erklärt Stadtarchäologin Dr. Aurelia Dickers.
Seit den 1940er Jahren fanden bisher über 30 archäologische Ausgrabungen auf dem Domhügel in Münster statt, die im Boden verborgene Siedlungsspuren zur Stadtgeschichte sichtbar machten. Die erste Besiedlung auf dem Hügel reicht in die römische Kaiserzeit des 2. und 3. Jahrhunderts nach Christus zurück und ist auch für das 4. Jahrhundert archäologisch belegt. Die bisher auf dem Domplatz angenommene Siedlung Mimigernaford vom späten 7. und frühen 8. Jahrhundert gab es an dieser Stelle nicht. Bis zur Gründung des Domklosters durch Liudger im ausgehenden achten Jahrhundert blieb der Domhügel nach bisherigem Forschungsstand weitgehend unbesiedelt.
Erst mit der Gründung des Klosters und des Bistums als geistliches, politisches und wirtschaftliches Zentrum der Region entwickelte sich auf dem Domhügel eine dichte Besiedlung. Diese bildet den Kern der späteren Stadt Münster. Umgeben von einer ringförmigen Befestigungsanlage aus dem 9. Jahrhundert hatte das dicht bebaute Areal im 10. Jahrhundert eine Größe von etwa 7,5 ha. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Steingebäude, die vom zunehmenden Wohlstand der Bewohner zeugten.
Seit dem zwölften Jahrhundert wurde der Bereich um den Dom fast ausschließlich von Geistlichen bewohnt. Sie residierten in großzügigen Steinbauten, den sogenannten Kurien der Domherren. Diese Gebäude sind seit dem Spätmittelalter kennzeichnend für die Bebauung des Platzes, der sich in seiner Grundstruktur bis heute so erhalten hat.
"Die aktuelle Untersuchungsfläche liegt im Bereich der sogenannten von Galenschen Kurie, die in den Jahren zwischen 1664 und 1668 als Neubau entstanden ist. Der von Galensche Bau ist uns durch Bauzeichnungen und Fotos aus den letzten Jahren seiner Nutzung gut bekannt", so Dickers. Das Gebäude wurde zwar immer wieder umgebaut, hatte jedoch bis in die Nachkriegszeit Bestand und wurde bei einem Bombenangriff im Oktober 1943 zerstört.
Wie die ältere Kurie, deren Bewohner sich über das Hofgelderbuch bis in das Jahr 1575 namentlich zurückverfolgen lassen, ausgesehen hat, ist im Detail unbekannt. Eine gewisse Vorstellung von diesem Grundstück vermittelt die historische Stadtansicht von Alerdinck aus dem Jahre 1636. Sie zeigt an dieser Stelle eine schmale, langgestreckte Parzelle zwischen dem Domplatz im Norden, der Pferdegasse im Westen und der Margarethenstiege im Osten, auf der ein stattlicher Steinbau mit der Giebelseite zur heutigen Pferdegasse und einem Hinterhofbereich zum Domplatz steht. Wie das Gelände vor dieser Zeit aussah und wie es genutzt wurde, wissen die Archäologen jedoch noch nicht. In den vergangenen zwei Wochen sind auf dem Platz vor dem LWL-Landesmuseum die Grundmauern der unterkellerten Kurie offengelegt worden. Die breiten Backsteinmauern lassen sich dem Neubau des 17. Jahrhunderts zuordnen. Sie sitzen erkennbar auf sauber verlegtem Bruchsteinmauerwerk auf, das eindeutig älter und wahrscheinlich mittelalterlich ist. Bei den Resten dürfte es ich um den Vorgängerbau der von Galenschen Kurie handelt, die 1652 als verfallen bezeichnet wird und deren tatsächliches Alter noch nicht bekannt ist.
Die bis in das 20. Jahrhundert hinein genutzten Kelleräume waren mit Schutt gefüllt. Darin fanden sich Teile der durchaus repräsentativen Raumausstattung des 19. Jahrhunderts, wie beispielsweise Stuckdeckenteile.
Einen ersten Höhepunkt der Grabungsarbeiten beförderte in der vergangenen Woche der Bagger zutage: einen 40 Zentimeter großen Kopf einer Skulptur.
"Von der Formauffassung könnte der Skulpturenkopf aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert stammen und zu einem der historischen Gebäude oder Vorplätze gehören", gab Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold bei der ersten Inspektion eine Einschätzung ab.