Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom geöffnet

Seit Januar ist das Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom Gegenstand von umfangreichen Untersuchungen. Anfang März wurde unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen die Deckplatte des Kalksteinsarkophags erfolgreich abgenommen. Darunter ist nun wie erwartet ein schlichter Holzsarg zu sehen. Die bisherigen Maßnahmen zur umfassenden Schadensdokumentation der Grablege und das weitere Vorgehen zur Konservierung des Grabmals wurden am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressetermin der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt vorgestellt.

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Abnahme der Deckplatte am Sarg Ottos des Großen
Abnahme der marmornen Deckplatte des Sarkophags von Otto dem Großen Anfang März. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, A. Hörentrup

Otto I. ist als erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Sein Grabmal im Magdeburger Dom ist daher auch über die Landesgrenzen Sachsen-Anhalts hinaus ein Denkmal von erheblichem kulturhistorischen Wert. Seiner Pflege und Erhaltung kommt aus Sicht der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt als Eigentümerin des Magdeburger Domes, der Evangelischen Domgemeinde als Nutzerin des Gotteshauses sowie des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt als zuständiger Denkmalfachbehörde oberste Priorität zu. 

Hilfe für ein gefährdetes Denkmal

Im Rahmen des turnusmäßigen gemeinsamen Monitorings der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wurden im letzten Jahr am Grabmal Ottos des Großen besorgniserregende Schäden beobachtet. Beide Institutionen sahen sich daher gezwungen, Maßnahmen zur Konservierung des nicht nur landeshistorisch, sondern auch national höchst bedeutenden Denkmals in die Wege zu leiten. Seit Januar 2025 ist das Grab von einer geschlossenen Einhausung aus Holzwerkstoffplatten umgeben, innerhalb derer die diffizilen Arbeiten am Sarkophag optimal durchgeführt werden können. Sämtliche Arbeiten werden vor Ort in Magdeburg vorgenommen, insbesondere verbleiben die Gebeine des Kaisers in der Elbestadt.

In einem ersten Schritt erfolgte die detaillierte zeichnerische und fotografische Dokumentation des Grabmals und der äußerlich sichtbaren Schäden. Hochauflösende 3D-Modelle, die mit Hilfe eines Laserscanners erstellt wurden, dienen darüber hinaus als Grundlage für die nachfolgenden Maßnahmen. Neben der Schadenskartierung standen die Standsicherheit und Stabilität sowohl des Sarkophags als auch seines unmittelbaren Umfeldes zunächst im Mittelpunkt der Untersuchungen. Dabei kamen verschiedene nichtinvasive, zerstörungsfreie Messmethoden zur Anwendung. 

Ergebnisse der nichtinvasiven Voruntersuchungen

Bereits bekannt war, dass der Sarkophag Öffnungen aufweist, durch die Sauerstoff in das Innere dringt. Ein Luftaustausch zwischen »Außen« und »Innen« ist gegeben. Dies kann eine erhebliche Gefährdung für den Inhalt des Steinsarges darstellen. Eine umfassende Untersuchung des steinernen Sarkophags durch das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. bestätigte ferner, dass aufsteigende Feuchtigkeit in den Sarg eindringt. Damit in Zusammenhang stehend konnte die Bildung von Salzkristallen festgestellt werden, die die strukturelle Integrität des Sarkophags bedrohen. Zumindest im Bereich der Kassetten ist der Steinkasten aus dem 10. Jahrhundert lediglich etwa 1 Zentimeter stark, wie Untersuchungen an einem der Löcher ergaben.

Die am Sarkophag verbauten Eisenteile wurden in Zusammenarbeit mit der Delta Sigma Analytics GmbH (Magdeburg) untersucht. Es stellte sich heraus, dass unter dem Sarkophag befindliche Eisenkeile stark korrodiert sind. Sie dienten einst der Stabilisierung, ergeben aber jetzt nur noch eine unregelmäßige Auflage und führen zu Spannungen am Kasten. Die im Sarkophag verwendeten Eisenklammern korrodieren ebenfalls und führen zu Rissbildungen im Stein.

Das Schadensbild machte eine Abnahme der etwa 300 Kilogramm schweren marmornen Deckplatte unbedingt nötig. Nur so können Schadensursachen behoben, der Zustand des Holzsargs im Inneren des Steinkastens überprüft sowie darauf angepasste Stabilisierungs- und Sicherungsmaßnahmen für die Grablege konzipiert und durchgeführt werden. Im Vorfeld bestätigten Ultraschallmessungen, die durch das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. durchgeführt wurden, dass die Marmorplatte im Wesentlichen stabil ist und einer Abnahme nichts im Wege stand.

Der Zustand nach der Öffnung des Sarkophagdeckels

Anfang März 2025 wurde der Sarkophagdeckel, eine wiederverwendete antike Marmorplatte, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen erfolgreich abgenommen. Um Kontaminationen am Grabmal zu vermeiden, ist seit diesem Zeitpunkt ein Betreten des Einbaus nur noch für einen kleinen Personenkreis und in Vollschutz möglich. Zur Hebung der Deckplatte kam eine Kombination aus hydraulischen Stempeln und einer angepassten Flaschenzugtechnik zum Einsatz. Darunter bietet sich das erwartete, bei der letzten Öffnung im Jahr 1844 hergestellte und dokumentierte Bild. Zu sehen ist ein schlichter Holzsarg. Zwischen diesem und dem Steinsarkophag sind am Kopfende eine Steinplatte und an der nördlichen Seite ein Holzbrett eingebracht.

Die einzelnen Bestandteile des Holzsarges werden aktuell mit der Radiokarbonmethode datiert, um Gewissheit über das ungefähre Alter der einzelnen Bestandteile zu erlangen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass die Holzkiste an verschiedenen Stellen massive Schädigungen aufweist. Im freien Bereich zwischen Holzkiste und Sarkophagtrog sind im Fußbereich erste Funde – vor allem Textilfragmente – zu erkennen. Dies verdeutlicht, dass die unteren Teile des Holzsargs stark geschädigt sind. Da die Textilfragmente möglicherweise empfindlich auf starke Lichteinstrahlung reagieren könnten, erfolgt eine Beleuchtung nur im notwendigen Rahmen.

Auch der Zustand des Steinsarkophags lässt sich nun besser erfassen. An der Innenwandung sind weitere Riss- und Druckspuren zu erkennen. Nicht nur im Bereich der Kassetten ist der Stein ausgesprochen dünn, auch sonst beträgt die Wandstärke des Sarkophags nur etwa vier Zentimeter. Am Rand des Sarkophags befindet sich eine graue kittartige Masse, die als Fugenverschluss zwischen Sarkophag und Marmorplatte genutzt wurde. Die Verfugungen werden momentan durch das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. materialanalytisch untersucht. Bei den ersten Messreihen (vom Versatzmaterial der Eisenklammern) wurden schädliche Chloride festgestellt.

Vordringlich ist nun insbesondere die Sicherung des Holzsarges. Die hölzerne Deckplatte muss entfernt werden, um diese und die Seitenteile zu sichern und auch den Zustand des Bodens bewerten zu können. Im Zuge der Sicherung des Holzsarges könnten auch am Sarginhalt umfangreiche Konservierungsmaßnahmen nötig werden. Um den Eintrag von Mikroorganismen zu vermeiden und damit einer möglichen Schimmelbildung vorzubeugen, müssen bei allen Arbeiten und beim Betreten der Einhausung Schutzanzüge und Masken getragen werden. Längere Aufenthalte von mehreren Personen in der Einhausung führen zu erhöhten, auf Dauer schädlichen Feuchtigkeitswerten und müssen daher beim aktuellen Zustand vermieden werden.

Das Kooperationsprojekt

Sämtliche Maßnahmen am Grabmal Ottos des Großen erfolgen in Kooperation der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt sowie in Abstimmung mit der Evangelischen Domgemeinde und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Die liturgische Nutzung des Gotteshauses wird nicht beeinträchtigt. Auch die Einschränkungen für Besucherinnen und Besucher des Domes werden so gering wie möglich gehalten. So sind sowohl das Chorgestühl im Hohen Chor als auch die Skulpturen des Heiligen Mauritius und der Heiligen Katharina aus dem 13. Jahrhundert weiterhin zu sehen. Eine Texttafel an der Einhausung des Grabmals informiert über den Grund des Einbaus und wird bei wesentlichen neuen Entwicklungen und Erkenntnissen aktualisiert. Die Öffentlichkeit wird weiterhin in geeigneten Abständen über den Fortgang der Arbeiten informiert werden, die nach jetzigem Kenntnisstand voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossen werden können.

Hintergrund: Das Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom

Otto I., der Große (geboren am 23. November 912; gestorben am 7. Mai 973 in Memleben), aus dem Geschlecht der Liudolfinger ist als erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Er war die treibende Kraft hinter der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum im Jahr 968. Im Magdeburger Dom wurde er nach seinem Tod 973 in Anwesenheit der Erzbischöfe Adalbert von Magdeburg und Gero von Köln an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Editha beigesetzt. Seit dem Domneubau im 13. Jahrhundert befindet sich das Grabmal des Kaisers zentral im Binnenchor des Magdeburger Domes.

Bei dem Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom handelt es sich um einen Sarkophag aus einem an allen vier Seiten kassettierten, monolithischen Block aus Kalkstein. Die Abdeckung bildet eine wiederverwendete antike Marmorplatte. Das Grabmal wurde zuletzt im Jahr 1844 geöffnet. Damals wurde der Sarkophag repariert und konstruktiv ertüchtigt. Auf der Marmorplatte ist eine durchbrochene Gedenkinschrift aus Gussmetall von 1936 angebracht. Nach 1945 wurde zur Entlastung der an den Längsseiten weit auskragenden Deckplatte eine stützende Stahlkonstruktion hinzugefügt, die ihren Zweck jedoch nur in geringem Maße erfüllt. Zudem tragen gerade die Eingriffe von 1844 erheblich zu der oben skizzierten Gefährdung des Grabmals bei, deren Behebung die beschriebenen Maßnahmen dienen sollen.

Geöffnetes Grabmal mit Sarg
Blick auf den Sarg nach Abnahme der marmornen Deckplatte. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.
Schädigungen am hölzernen Sarg
Die Holzkiste weist an verschiedenen Stellen massive Schädigungen auf. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, A. Hörentrup
Erste Funde
Im freien Bereich zwischen Holzkiste (links) und Sarkophagtrog (rechts) sind erste Funde – vor allem Textilfragmente – zu erkennen. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, A. Hörentrup
Blick in das Grab von Kaiser Otto dem Großen
Blick in das Grab unmittelbar nach Abnahme der Deckplatte (aktueller Zustand). Deutlich zu erkennen ist die hölzerne Kiste mit Deckplatte, die keinen Einblick in das eigentliche Grabinnere erlaubt. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Anhebung der Deckplatte mit hydraulischen Stempeln
Zur Hebung der Deckplatte kam eine Kombination aus hydraulischen Stempeln und einer angepassten Flaschenzugtechnik zum Einsatz. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Einhausung für die Arbeiten am Ottograb im Magdeburger Dom
Für die anstehenden Dokumentations-, Sicherungs- und Forschungsarbeiten wurde im Hohen Chor des Magdeburger Doms eigens eine Einhausung errichtet. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, A. Hörentrup