Der Kultur- und Archäologiepark, durch dessen 700.000 m² großes Areal die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Frankreich verläuft, repräsentiert mit der römischen Villa von Reinheim und der römischen Kleinstadt (Vicus) von Bliesbruck neben der regionalen Geschichte auch einen Teil europäischer Vergangenheit. Im Bereich einer römischen Villa auf der deutschen Seite wurden rund 5.000 sehr gut erhaltene Fragmente bemalten römischen Wandputzes gefunden. Teilweise sind auf ihnen komplexe Muster sowie vegetabile und figürliche Darstellungen erkennbar. Verlässliche archäologische Analysen, zum Beispiel bezüglich der Datierung und Herkunft der Fragmente sowie zum gesellschaftlich-historischen Hintergrund können allerdings erst nach einer Rekonstruktion der Wandmalereien getroffen werden. Archäologinnen und Restauratoren stehen dabei vor der Herausforderung, dass jeder manuelle Umgang mit den fragilen, aus Kalkmörtel bestehenden Fragmenten weitere Schäden an der Substanz verursacht.
Hier setzen Fraunhofer IPK und MusterFabrik Berlin mit einer Technologie zur Digitalisierung, Visualisierung und Rekonstruktion von fragmentierten mehrdimensionalen Objekten an. Dr. Bertram Nickolay, Abteilungsleiter Maschinelles Sehen, erläutert: »In dem Projekt nutzen wir Kompetenzen, die wir am Fraunhofer IPK zusammen mit der MusterFabrik Berlin bei der Digitalisierung und Rekonstruktion fragmentierter Glasmosaike aufgebaut haben.« Dr. Georg Breitner, Leiter des Landesdenkmalamtes des Saarlandes im Ministerium für Bildung und Kultur, erklärt: »Das Projekt ‚DigiGlue’ bietet unseren Archäologen und Restauratoren die Chance, Kulturgüter am Beispiel der römischen Wandputzfragmente digital zu erfassen und virtuell zu rekonstruieren. Damit schaffen wir einen Mehrwert für die weitere wissenschaftliche Bearbeitung.« Kofinanziert wird das Projekt durch die Saarland-Sporttoto GmbH.
Zum Projektauftakt trafen sich jetzt Expertinnen und Experten des Landesdenkmalamtes Saarland, der MusterFabrik Berlin und des Fraunhofer IPK, um die Anforderungen an das zu entwickelnde IT-basierte Assistenzsystem zu spezifizieren. Die Digitalisierung der Fragmente übernimmt ein 2,5D-Scanner, der die motivbehafteten Fragment-Vorderseiten optisch und die Volumendaten der dazugehörigen Fragment-Rückseiten sensorisch erfassen soll. Dabei müssen alle Informationen aufgenommen werden, die für die Rekonstruktion relevant sind, wie Motive, Farben und Umrisse eines Elementes. Die anschließende Visualisierung und Reposition der Fragmente baut auf dem Know-how der preisgekrönten Rekonstruktionstechnologie des Fraunhofer IPK auf. Damit sollen die digitalisierten Bruchstücke virtuell wieder zu einem möglichst kompletten Wandbild zusammengesetzt werden. Dazu können – wie beim händischen Puzzeln auch – einzelne Fragmente am Bildschirm gedreht, verschoben oder gezoomt werden. Perspektivisch könnten mit Hilfe der Software Bemalungen farbig hervorgehoben, Fehlstellen optisch ergänzt sowie verschiedene Lichtspektren eingeblendet werden. Neben der farb- und geometriegetreuen Digitalisierung und der virtuellen Rekonstruktion könnte das Gesamtsystem, so die Vision der Projektpartner, auch die ortsunabhängige verteilte Bearbeitung durch verschiedene Spezialisten gewährleisten.