Dabei ermöglichte ein Stück Kiefernholz, das unter dem Abflussrohr des Pechofens gefunden wurde, eine dendrochronologische (jahrringbasierte) Datierung auf das Jahr 1324 n. Chr. Eine solch genaue zeitliche Zuordnung in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts ist für einen Pechofen eine absolute Rarität.
Die Verwendung von Pech ist bereits für die mittlere Steinzeit nachgewiesen. Das vom Mittelalter bis in die Neuzeit weit verbreitete Pechsieden hat auch in der Oberlausitz deutliche Spuren im Boden hinterlassen: Reste von Öfen und der charakteristischen, länglichen Pechgruben konnten bereits an verschiedenen Stellen ausgegraben werden. Die aktuell entdeckte Fundstelle zeichnet sich aber nicht nur durch den außerordentlich guten Erhaltungszustand aus, sondern gehört zu den ausgedehntesten ihrer Art in ganz Deutschland. Anhand der freigelegten Befunde lässt sich hier der gesamte Produktionsprozess hervorragend nachvollziehen.
Dr. Wolfgang Ender, stellvertretender Abteilungsleiter im Landesamt für Archäologie, zeigt sich von der mittelalterlichen Pechsiedeanlage begeistert: »Dieser phantastische Befund zeigt einmal mehr, wie wichtig eine gewissenhafte archäologische Erforschung des Tagebauvorfelds ist, damit diese spannenden, bisher unbekannten Zeugen unserer Vergangenheit nicht unbeachtet verschwinden. Wir haben dank der engen Kooperation mit Vattenfall die Möglichkeit, auch eine aufwändige Grabung wie diese fachgerecht durchzuführen.«
Pechsiedereien waren Produktionsstätten, die außerhalb städtischer und dörflicher Siedlungen angelegt wurden. Einerseits war die Brandgefahr zu groß, andererseits wollte man eine unmittelbare Nähe zur Rohstoffquelle Holz. Bei der Teergewinnung im Ofen wird harzhaltiges Holz in einer Kammer gestapelt. Sie besitzt einen trichterförmigen Boden mit einem zentralen Abfluss, der nach außen führt. Die Kammer wird vollständig von einem Heizraum umgeben. Durch die Hitze werden die Baumharze umgewandelt und können als Teer außerhalb des Ofens aufgefangen werden.
Pech, eine zähe braun-schwarze Flüssigkeit, war in der Vor- und Frühgeschichte fast universell einsetzbar: als Schmierstoff, schwarzer Farbstoff, zum Abdichten, als Brennstoff zur Beleuchtung, als Klebefalle beim Vogelfang (»Pechvogel«), bei der mittelalterlichen Verteidigung von Festungen, als Folterinstrument (»teeren und federn«) oder sogar für medizinische Zwecke. Die negative Besetzung des Wortes ‚Pech‘ stammt erst aus dem Mittelalter und hat ihren Grund wahrscheinlich in der christlichen Vorstellung der Hölle, wo der Teufel sein Feuer mit Pech und Schwefel schürt.
Auf den Vorfeldflächen der Tagebaue Nochten und Reichwalde können Archäologen großflächig zusammenhängende Gebiete erschließen, wie es sonst nur äußerst selten möglich ist. Damit können sie archäologische Strukturen und Befunde in einem größeren Kontext bewerten. Im Bereich des Tagebauvorfelds Nochten werden seit 1993 wichtige neue Erkenntnisse über die Besiedlungsgeschichte von den ersten steinzeitlichen Jägern vor 13.000 Jahren bis zu den spätmittelalterlichen Dorfgründungen gesammelt. Die Grabungen werden durch Vattenfall finanziell getragen.