Gerücht um die "Dunkelgräfin" geklärt

Forscherinnen belegen, dass es sich bei einem Skelett aus Hildburghausen in Thüringen nicht um die französische Prinzessin Marie Thérèse handelt

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Gesichtsrekonstruktion mit eingeblendetem Schädel
Von vorne und von der Seite: Gesichtsrekonstruktion mit eingeblendetem Schädel. (Quelle: Ursula Wittwer-Backofen, Biologische Anthropologie, Universität Freiburg)

Nach einem fächerübergreifenden Forschungsprojekt steht fest: Die geheimnisvolle "Dunkelgräfin von Hildburghausen" war nicht die französische Prinzessin Marie Thérèse, die Tochter von Marie Antoinette und Ludwig XVI. Zu diesem Ergebnis sind die Freiburger Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Ursula Wittwer-Backofen vom Institut für Anthropologie und Prof. Dr. Sabine Lutz-Bonengel vom Institut für Rechtsmedizin der Albert-Ludwigs-Universität gekommen. In Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) haben sie die Überreste der Unbekannten aus dem Grab in Hildburghausen untersucht.

Das Gerücht um die Herkunft der 1807 in Hildburghausen aufgetauchte Dame und ihren Begleiter, der sich als Graf Vavel de Versay ausgab, wurde dadurch gespeist, dass das Paar zurückgezogen lebte – die Dame zeigte sich nie in der Öffentlichkeit und war bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie das gemietete Schloss in Eishausen verließ, stets verschleiert. Als die Unbekannte 1837 starb, erhielt sie eine besondere Grabstätte. Während König Ludwig XVI. und seine Frau Marie Antoinette im Zuge der französischen Revolution hingerichtet wurden und auch der Thronerbe die Haft im Temple-Gefängnis nicht überlebte, blieb seine Schwester Marie Thérèse als einzige am Leben. 1795 kam sie im Alter von 17 Jahren frei. Das Gerücht, dass es sich bei der Dunkelgräfin um die Prinzessin handelt, wurde durch zahlreiche Hinweise auf den französischen Königshof genährt und zu einer Thüringer Legende, die sich bis heute hält.
Die Forscherinnen haben das Skelett der Dunkelgräfin nach der Exhumierung der Grabstätte in Hildburghausen anthropologisch untersucht. Die Analyse lieferte wesentliche Hinweise: Die Gebeine gehörten einer älteren Frau, die wenig körperlich beansprucht lebte, jedoch massive Anzeichen von Stress während ihrer Jugend zeigte. Ihre Mundgesundheit war äußerst schlecht – auch hierin zeigt sich die Zurückgezogenheit der Dunkelgräfin. Ärzte wurden nicht zu ihr gelassen.

Während die Untersuchungsergebnisse des Skelettes zunächst kompatibel mit der Identität als Prinzessin waren, zeigten sich insbesondere bei Portraitvergleichen Abweichungen. Mit Methoden der dreidimensionalen Bildgebung wurde ein 3D-Scan des Schädels mit Portraits der jungen Prinzessin verglichen. Durch Simulation der Wachstums- und Alterungsprozesse auf der Basis der Portraits konnten die Gesichtsproportionen der gealterten Prinzessin berechnet und mit dem Schädel verglichen werden. Hierbei zeigten sich auch unter Berücksichtigung stilistischer Interpretationen der Portraitmalerei Abweichungen, die mit den Proportionen des Schädels nicht vereinbar waren. Bildüberlagerungen verdeutlichen die Proportionsunterschiede. Andererseits lassen die Portraits durch eine Reihe von Abweichungen zu der jungen Prinzessin auch Zweifel aufkommen.

Eine alternative Herangehensweise war die virtuelle dreidimensionale Gesichtsrekonstruktion auf der Basis des Schädels. In der Forensischen Anthropologie zur Identifizierung unbekannter skelettierter Toter entwickelt, kann das Verfahren auch individuell auf den jeweiligen Schädel das Gesichtsweichgewebe mit der Gesichtsoberfläche berechnen und dreidimensional darstellen. Auch hierbei zeigte sich ein Gesicht, das wenig Ähnlichkeit mit den Portraits der Prinzessin zeigt.

Die DNA-Analysen bestätigen den Eindruck: Genetische Verwandtschaftsvergleiche, durch genealogische Recherchen unterstützt, zeigen keine Identität der Dunkelgräfin mit der Prinzessin. Damit ist zwar die Legende, dass es sich bei der Dunkelgräfin von Hildburghausen um die französische Prinzessin Marie Thérèse handelt, entkräftet worden. Das Geheimnis um die Identität der Dunkelgräfin konnte aber nicht gelüftet werden – die historische Detektivarbeit geht weiter.

Der MDR hat die Dokumentation „Die Dunkelgräfin von Hildburghausen", in der die bisherigen Ergebnisse vorgestellt wurden, am 28. Juli 2014 ausgestrahlt:
www.mdr.de/mediathek/suche/mediatheksuche102.html.