Als Denisova-Menschen wird eine Population von Individuen der Gattung Homo bezeichnet, die vor rund 40.000 Jahren im Altai-Gebirge im südlichen Sibirien lebte. Belegt ist die Existenz dieser Population nur durch drei Fossilien: ein Fingerglied eines kleinen Fingers, ein Backenzahn sowie ein Zehenglied vom linken Fuß. Der Fingerknochen wurde 2008 von den Professoren der Russischen Akademie der Wissenschaften, Anatoly Derevianko und Michail Shunkov, während Ausgrabungsarbeiten in der Denisova-Höhle entdeckt. Die Denisova-Höhle ist eine einzigartige archäologische Fundstätte, die wahrscheinlich bereits vor etwa 280.000 Jahren von Menschen bewohnt wurde. Der Fingerknochen, der das untersuchte Material lieferte, wurde in einer Schicht gefunden, die auf ein Alter von 50.000 bis 30.000 Jahre datiert wurde.
Bereits im Jahr 2010 veröffentlichten Svante Pääbo und seine Mitarbeiter die vorläufige Fassung des Genoms, das sie aus dem Material der fossilen Fingerknochens aus der Denisova-Höhle in Südsibirien entnommen hatten (s. »Weder Neandertaler noch moderner Mensch«). Den DNA-Sequenzen zufolge gehört dieser Knochen der Vertreterin einer zuvor unbekannten ausgestorbenen Menschenform, jetzt als Denisova-Mensch bekannt. Zusammen mit den Neandertalern sind die Denisova-Menschen die nächsten ausgestorbenen Verwandten heute lebender Menschen.
Die neuentwickelten hochempfindlichen Techniken ermöglichten nun, jede Base innerhalb des Denisova-Genoms etwa 30 Mal zu lesen. Im Gegensatz dazu war in der 2010 veröffentlichten Version jede Position im Durchschnitt nur etwa zweimal sequenziert worden. Dieser Auflösungsgrad reichte zwar aus, um die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Denisova, Neandertalern und modernen Menschen zu ermitteln, nicht jedoch um die Evolution spezifischer Teile des Genoms genauer zu erforschen. Die nun vollständige Version des Genoms ermöglicht es, selbst die winzigen Unterschiede zwischen den Genkopien, welche dieses Individuum von seinem Vater beziehungsweise von seiner Mutter erbte, zu unterscheiden.
»Das Genom ist von sehr hoher Qualität«, sagt Matthias Meyer, der die Technologie entwickelte, die diese technische Errungenschaft erst ermöglichte. »Wir decken alle nicht-repetitiven Bereiche des Denisova-Genoms so viele Male ab, dass dieses Genom weniger Fehler enthält als die meisten bislang sequenzierten Genome heute lebender Menschen«.
Noch vor der eigentlichen Publikation hat das Forscherteam das gesamte Genom bereits im Internet veröffentlicht.