Forschungsgeschichte - zwei auf einen Streich
Der Ausgräber Prof. Wilhelm Winkelmann entdeckte im Jahr 1964 die Grundmauern der Paderborner Kaiserpfalz Karls des Großen aus dem späten 8. Jahrhundert. Zusammen mit Anton Schulte kam er gleichzeitig auch der Beckumer Urpfarre auf die Spur. Die dort gefundenen Fundamente und Gräber weisen in die Frühzeit der Stadt. Winkelmann vermutete, dass während des 7./8. Jahrhunderts im Bereich der Kirche Sankt Stephanus eine Siedlung gelegen hat. Ende des 8. Jahrhunderts soll sich dort bereits ein erster Kirchenbau befunden haben. Die Urpfarre in Beckum kann als eines der ältesten Missionszentren des Münsterlandes gelten und entstand auf dem Grund eines großen Hofes (lat. curtis, Oberhof). Vergleiche gibt es beispielweise in Ahlen und Billerbeck.
Neue Erkenntnisse - der Kreis schließt sich
2022 kam es im Zuge umfangreicher Kanalbauarbeiten zur Freilegung mehrerer Bestattungen durch eine archäologische Fachfirma. Sie fanden sich auf engster Fläche im südlichsten Abschnitt der Propsteigasse. »Es handelte sich bei allen um im christlichen Ritus niedergelegte Körperbestattungen in gestreckter Rückenlage und weitgehend in West-Ost-Ausrichtung«, erklärt Grabungsleiter Dr. Joachim Meffert. »Neben einfachen Erdbestattungen zeigten sich zudem aufwändiger gestaltete Steinplattengräber«, so Meffert weiter. Bei Steinplattengräbern waren die Toten von waagerecht und senkrecht verlegten Kalksteinplatten ähnlich einem Sarg umgeben.
Neben dem guten Erhaltungszustand sorgten aktuell die Ergebnisse eines Mannheimer Fachlabors für eine weitere Überraschung. Mittels der Radiokarbonmethode konnte man dort ermitteln, dass die Mehrheit der hier Bestatteten im 8./9. Jahrhundert verstorben ist und damit deutlich früher als noch 2022 angenommen. 60 Jahre nach Winkelmann und Schulte bekräftigen die neuen wissenschaftlichen Untersuchungen deren Aussagen zu den Anfängen der Beckumer Stadtgeschichte.
Das vorläufige Ergebnis - 1.000 Jahre durchgängige Belegung
Die jüngsten Untersuchungsergebnisse unterstreichen die bedeutende Stellung des weiteren Umfeldes von Sankt Stephanus: Der Platz um die Kirche diente seit karolingischer Zeit bis 1819 als Friedhof und weist damit eine nahezu tausendjährige Belegungsgeschichte auf. LWL-Archäologe Dr. Andreas Wunschel: »Wir bleiben gespannt. Denn die wesentlich umfangreicheren Untersuchungen im Zuge der Kirchplatzneugestaltung 2023 bis 2024 sind hier noch nicht eingeflossen. Sie dauern vielmehr noch an.« Prof. Dr. Michael Rind, der Chefarchäologe des LWL: »Trotz dieses Erkenntnisgewinns stellt eine Ausgrabung auch eine Zerstörung des Bodendenkmals dar. Sie sollte immer die letzte Option bleiben. Wer weiß, über welche Möglichkeiten die Fachleute in weiteren 60 Jahren verfügen werden.«