Ein Vorhaben des Domkapitels - die Einpflanzung einer Silberlinde mit Sitzbank zwischen Domturm und Diözesanmuseum - machte in diesem historisch wertvollen Bereich des Stadtkerns eine archäologische Untersuchung notwendig. »Obwohl der Bereich durch Wasserleitungen und Stromkabel zur Versorgung von Diözesanmuseum und Dom gestört wird, wie die Archäologin sagt, ist immer noch mit historischen Befunden zu rechnen«, erklärt Dr. Sveva Gai, Stadtarchäologin Paderborns von der LWL-Archäologie für Westfalen. Ein vier mal vier Meter umfassender Schnitt wurde durch die Pflasterung und in die darunterliegenden Auffüllschichten gezogen. Und tatsächlich stießen die Archäologen hier auf einen zum Teil »ungestörten« Bereich.
Spannend sind die Schichten unterhalb der neuzeitlichen Bausituation, da hier mindestens drei Mauern aus unterschiedlichen Phasen übereinanderliegen. »Die Ausrichtung der freigelegten Mauerreste zeigt, dass diese zu unterschiedlichen Mauern gehören«, verdeutlicht Grabungsleiter Ralf Mahytka die Erkenntnisse der Ausgrabung. »Hieraus ergibt sich eine Zeitspanne, die vom 9./10. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert reicht.« Unter dem untersten Mauerzug, der nur in Teilen freigelegt werden konnte, kam schließlich eine vollständige Bestattung zum Vorschein. Sie wird von der Ältesten der drei Mauern überlagert.
»Die freigelegten Bestattungen gehören womöglich in die karolingisch-ottonische Phase und deuten auf eine Nutzung dieses Areals bereits ab dem 9. Jahrhundert hin«, erläutert der zweite Grabungsleiter Robert Gündchen. Nach neuen Erkenntnissen erstreckte sich der Friedhof im Hoch- und Spätmittelalter jedoch nicht allzu weit nach Westen. Die zu Beginn des 11. Jahrhunderts durch Bischof Meinwerk erbaute Aula und der am Ende des 12. Jahrhunderts begonnene Neubau des Domes scheinen die Nutzung dieses Areals als Bestattungsplatz beendet zu haben.
Der neu geöffnete Schnitt war in Teilen bereits durch archäologische Untersuchungen Anfang der siebziger Jahre betroffen. Bei dieser Maßnahme war lediglich ein neuzeitlicher Ost-West-Mauertrakt festgestellt worden. Dieser gehörte zur Nordseite eines Gebäudes, welches Ende des Zweiten Weltkrieg durch das Bombardement der Alliierten zerstört worden war. Ein Kopfsteinpflaster aus Kalksteinen, das jetzt in der nordöstlichen Ecke des neuen Schnittes freigelegt werden konnte, zog sich bis zu dieser Mauer und deckte die Fundamentkante ab. Schon die archäologische Untersuchung der 1970er hatte in einem weiteren, nördlich liegenden Schnitt Bestattungen freigelegt, die anhand der Schichtenabfolge in die Zeit vor dem 11. Jahrhundert datiert wurde.
Zeitlich ordnen sich die Bestattungen damit in eine Phase ein, die noch vor der Neugestaltung dieses Abschnittes der Domburg durch Bischof Meinwerk liegt. »Einmal mehr wird deutlich, wie sogar die kleinste Maßnahme zusätzliche Puzzleteile zur Rekonstruktion der Baugeschichte Paderborns und ihrer historischen Zusammenhänge beitragen kann«, so Stadtarchäologin Gai.