Erstmals seit dem Ende der Antike: Zwei römische Schiffe treffen sich auf der Mosel
Die "Victoria" liegt vom 26. bis 28. Juni 2009 am Bootssteg der Rudergesellschaft Trier 1883 e.V. und lädt zu Fahrten auf der Mosel ein. Sogar Mitrudern ist im Rahmen der Kapazitäten gestattet. Nach der Verleihung des Ausonius-Preises und der Präsentation am Samstag läuft die "Victoria" offiziell zu einer kleinen Fahrt auf der Mosel aus. Am Sonntag findet dann die erste gemeinsame Fahrt zweier römischer Schiffe, der "Victoria" und der "Stella Noviomagi", seit dem Ende der Antike auf der Mosel bei Neumagen statt. Dazu fährt das Kriegsschiff "Victoria" am 28. Juni 2009 von 8.30 Uhr bis etwa 14.00 Uhr moselabwärts bis nach Neumagen und trifft dort mit der "Stella Noviomagi", dem berühmten Neumagener Weinschiff, zusammen. Beide Schiffe bieten am Nachmittag die Möglichkeit an, auf der Mosel auf Höhe des Weinschiffhafens von Neumagen mitzufahren bzw. mitzurudern. Am Montag, 29. Juni 2009 kehrt die "Victoria" von Neumagen zurück nach Trier, wo sie im Hafen Trier wieder aus dem Wasser gehoben und zur Ausstellung zurück transportiert wird.
Der archäologische Befund und ein einzigartiges Experiment
Zu Zeiten des Kaisers Augustus führten die Vorstöße römischer Truppen bis tief nach Germanien. Flotten an Transport- und Kriegsschiffen auf den Strömen und Flüssen unterstützten die Invasion gen Norden. Ein sensationeller Schiffsfund aus der Gegend von Ingolstadt beschäftigt die Forschung: 1994 wurden im Bereich der Anlegestelle des römischen Kastells von Oberstimm zwei antike Schiffswracks ausgegraben, die fast in ganzer Länge und an den Bordwänden teilweise sogar bis auf Höhe der Dollen für die Riemen der Ruderer erhalten sind. Im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz (RGZM) wurden die Schiffsfunde bis 2005 konserviert und können seit Frühjahr 2006 im Kelten Römermuseum Manching besichtigt werden.
Möchte man zu den römischen Flotten genaueres wissen, ist man nicht zuletzt auf die so genannte Experimentelle Archäologie angewiesen. Die Schiffsfunde aus Oberstimm bei Ingolstadt bildeten die Basis einer Rekonstruktion in Originalgröße, mehrwöchige Testfahrten mit diversen Crews aus Studenten und Offizieren der Bundeswehr lieferten richtungweisende Ergebnisse für die Effizienz und die Bedeutung der Binnenflotten in der römischen Kaiserzeit, speziell im Hinblick auf das historische Geschehen rund um die Varusschlacht, die sich in diesem Herbst zum 2000sten Mal jährt.
Spitzengeschwindigkeiten von 6 bis 7,4 Knoten
Bei dem rekonstruierten Fahrzeug handelt es sich zweifelsfrei um ein Militärschiff mit einer Reihe von Riemen auf jeder Seite. Bei einer Länge von etwa 16 Metern wurde dieses Schiff von 18 bis 20 Ruderern angetrieben, bei günstigem Wind konnte ein Segel gesetzt werden. Die Nut- und Federbauweise kennen wir aus dem Mittelmeerraum. Bislang war jedoch die Frage nach dem Leistungsvermögen derartiger Schiffe völlig offen. Nach den umfangreichen Testfahrten können wir heute von Spitzengeschwindigkeiten bei 6 Knoten (11,1 km/h) unter Riemen und 7,4 Knoten (13,7 km/h) unter Segel ausgehen. Mindestens genauso überraschend ist die Feststellung, dass man eine Besatzung binnen zwei bis drei Tagen dazu bringen konnte, professionell mit dem hoch entwickelten Fahrzeug umzugehen, es also keiner speziell ausgebildeten Marineeinheiten bedurfte. Wenden aus der Marschfahrt heraus in weniger als 30 Sekunden und ein erstaunlich effizientes Segel erhärten den Eindruck, dass man es bei dem Militärschifftyp von Oberstimm mit einem echten High-Tech-Produkt der Antike zu tun hat, das auch zu einem Gutteil unter Segel auf den Strömen des alten Germanien eingesetzt werden konnte.
Bezug zur Varusschlacht und zur Ausstellung "Imperium Konflikt Mythos"
Angesichts der Anklänge an eine mediterrane Bauweise passt der Schiffstyp durchaus auch in den Kontext der augustus- und tiberiuszeitlichen Feldzüge. Dabei verkehrten die Schiffe nicht nur auf den großen Strömen Rhein und Donau, sondern auch auf den Nebenflüssen, die tief nach Germanien hinein führten und klassische Einfallsrouten darstellten. So wurden an der Lippe, im Legionslager bei Haltern am See acht Schiffshäuser gefunden, die in ihren Abmaßen ausgezeichnet zu dem rekonstruierten Schiffstyp passen. Von daher liegt der enge Zusammenhang zwischen dem frühen Schiffstyp von Oberstimm und Haltern als Truppen- und Marinestandort, der im Umfeld der Varuskatastrophe eine herausragende Rolle spielte, auf der Hand.
So erscheint es fast schon als Notwendigkeit, dass die Museen in Haltern, Kalkriese und Detmold für ihre gemeinsame Ausstellung "Imperium Konflikt Mythos. 2000 Jahre Varusschlacht" die Schiffsrekonstruktion der "Victoria" als zentralen Bestandteil ihrer Kooperation angesehen und in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg sowie der Werft "Jugend in Arbeit" in Hamburg Harburg realisiert haben. Am Nachbau und der wissenschaftlichen Untersuchung des Schiffes waren nicht zuletzt auch Mitglieder der Universität Trier beteiligt.