In der nun dreizehnten gemeinschaftlichen Grabungskampagne erreichte der Verbund aus Wissenschaftlern des Ägyptischen Antikenministeriums und der Universität Leipzig, unterstützt durch Mitarbeiter der Hochschule Mainz, jetzt die bislang ältesten Schichten dieses bedeutenden Kultzentrums. Sie gehören einer Zeit an, in der der nördliche und südlich Landesteil sukzessive zusammenwuchsen, der Norden jedoch noch gut 400 Jahre vor den Königen der sogenannten 1. Dynastie eine deutlich andere materielle Kultur aufwies.
Zusammen mit zahlreichen Funden, die in einer Tiefe von bis zu zwei Metern unter dem Grundwasserspiegel geborgen werden konnten, fand das Team Ausschnitte von Häusern des mittleren 4. Jahrtausends v. Chr. Als besonderer Befund können die Feuerungsanlagen einer Brauerei gewertet werden. Ein Bauprojekt im Kairoer Stadtteil Matariya machte diese erste Notgrabung notwendig, bei der nun diese erstaunlichen Funde zutage gefördert wurden.
»In den darüber liegenden Schichten des 2. Jahrtausends vor Christus fanden sich, nicht weniger überraschend, Belege für Brunnenbauten des Übergangs von der 20. zur 21. Dynastie, also der Zeit um 1100/1050 vor Christus«, berichtet Dr. Dietrich Raue. »In den Haldenschichten wurden Fragmente von Rosengranitsäulen, Königssphingen und Keramikformen zur Herstellung von Fayenceamuletten entdeckt.«
Eine zweite Notgrabung erbrachte ebenfalls unverhoffte Erkenntnisse: So konnte ein steingepflasterter Weg der 3. Zwischenzeit (frühes 1. Jahrtausend v. Chr.) aufgedeckt werden. Aufsehenerregende Funde stammen dabei aus zwei Gruben der griechisch-römischen Zeit. Darin kamen zum einen ein hervorragend erhaltenes Relief mit einer Darstellung von Ramses II. vor dem Sonnengott Ra-Harachte zum Vorschein als auch eine Sammlung von Fragmenten lebensgroßer Skulpturen.
Neben der Basis einer Statue des Enkels Ramses« II., Sethos II. (1204 – 1198 v. Chr.), aus braunem Quarzit ist eine weibliche Figur aus Rosengranit besonders bemerkenswert. Sie trägt auf der Rückseite die Titulatur von Ramses II. (1279 – 1213 v. Chr.). »Es handelt sich entweder um die Darstellung einer Königin dieses Herrschers oder um eine Göttin aus dessen Regierungszeit«, sagt Raue.
Dr. Aiman Ashmawy vom Ägyptischen Antikenministerium, der Co-Direktor der Grabungskampagne, erläutert hierzu, »dass die Funde möglicherweise mit den Abtransporten der römischen Kaiserzeit in Verbindung stehen«. Schließlich seien im späten 1. Jhd. v. Chr. – frühen 1. Jhd. n. Chr. zahlreiche Obelisken und andere Denkmäler nach Alexandria verschleppt worden. Die berühmtesten heliopolitanischen Denkmäler, die in dieser Zeit aus dem Tempel transportiert wurden, sind eine Reihe von Obelisken, die heute in Rom zu besichtigen sind.
Die Ausgrabungen fanden laut Dr. Dietrich Raue, Kustos des Ägyptischen Museums – Georg Steindorff – der Universität Leipzig, mit der Beteiligung eines internationalen Wissenschaftlerteams des ägyptischen Antikenministeriums und auch von den Universitäten Lüttich, Venedig und der American University Cairo statt. Zuletzt hatten die Wissenschaftler im Mai für Aufsehen gesorgt, als sie unter anderem erstmals auf gewaltige Binnenmauern aus Lehmziegeln von fünf bis sieben Metern Stärke gestoßen waren.
Die Arbeiten wurden durch die Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, der Berthold Leibinger Stiftung, der Europäischen Stiftung für Bildung und Kultur der Rahn-Dittrich-Gruppe und des Forums für Ägyptologie an der Universität Zürich ermöglicht.