"Unklare Bewuchsmerkmale im Luftbild und die typische Siedlungslage auf einer flach geneigten Hangposition gaben Anlass, hier genauer hinzuschauen.", erklärt LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy weshalb Archäologen die Fläche untersucht haben, obwohl es hier bisher keine Funde gab. Anhand von Luftbildern können Archäolog:innen erkennen, wo ein genauerer Blick in die Erde lohnt. Auf den aus luftiger Höhe aufgenommenen Bildern sind oft besondere Bewuchsmerkmale auf der Oberfläche zu erkennen, die man vom Boden aus nicht wahrnimmt.
"Dies ist aktuell der erste archäologisch untersuchte Siedlungsplatz aus der Urgeschichte in Wickede überhaupt", sagt Archäologe Thies Evers, Grabungsleiter der beauftragten Fachfirma. Nur wenige Dutzend Funde kamen bei den Arbeiten zutage: Keramikscherben von Koch- und Vorratsgeschirr erscheinen zunächst nicht spektakulär, helfen aber bei der Datierung der Siedlung in die Mitte des letzten vorchristlichen Jahrtausends und damit in die Eisenzeit. Ein paar noch nicht genauer bestimmte Eisenobjekte vervollständigen das kleine Fundensemble. Um erkennen zu können, was sich unter ihrer Korrosionsschicht versteckt, müssen zunächst die LWL-Restaurator:innen Hand anlegen.
Die Befunde sind hier deutlich zahlreicher: 140 Spuren im Boden konnten die Expert:innen ausmachen. Das sind überwiegend Pfostengruben, die als Bodenverfärbungen auf die Gebäude hinweisen, die hier zwischen 600 und 300 v. Chr. auf einer schmalen Terrasse oberhalb des Ruhrtals gestanden haben.
"Aufgrund der Erosion könnte im Lauf der letzten zweieinhalb Jahrtausende bis zu einem Meter Boden vom Hang in die Ruhraue hinabgeflossen sein", schätzt Evers. Das erkläre, warum die Pfostengruben bei teilweise beachtlichen Durchmessern zwischen 80 und 150 cm im Profil nur noch wenige Zentimeter tief erhalten seien, so der Grabungsleiter weiter. Somit dürften etliche Grubenbefunde und auch Fundstücke der Erosion zum Opfer gefallen sein.
Dennoch reichen die erhaltenen Spuren aus, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Anhand der Position der Bodenverfärbungen erkennen die Fachleute mindestens drei Gebäudegrundrisse. Der Größte erreicht eine Läge von 17 Metern und eine Breite von 7,5 Metern.
"Üblicherweise werden Gebäude dieser Größenordnung als Wohn-Stall-Häuser gedeutet. Das heißt, hier lebten Menschen mit ihrem Vieh unter einem Dach. Bei den Siedlungsspuren dürfte es sich also um die Überreste eines Gehöfts handeln, das auf einer etwa 30 Meter breiten Geländeterrasse errichtet wurde, die etwas oberhalb der hochwassergefährdeten Ruhraue lag", so LWL-Archäologin Cichy.
Auch wenn die Ergebnisse auf den ersten Blick nicht spektakulär erscheinen, liefern sie einen wichtigen Baustein zum Verständnis der Besiedlungsgeschichte des Ruhrtals. "Dass während der Mittleren Eisenzeit auch vergleichsweise ungünstige Lagen besiedelt wurden - in diesem Fall ein windexponierter, eher schattiger Nordhang mit schwierigen Bedingungen für den Ackerbau - könnte auf einen wachsenden Bevölkerungsdruck hindeuten und auf eine zunehmend spezialisierte Wirtschaftsweise mit verstärkter Viehhaltung", vermutet Evers.