Das Gebäude im Bereich der untersten Terrasse hinter dem Rathaus war bereits 1977 nicht mehr vorhanden. Die oberhalb davon stehenden Gebäude wurden 2011 wegen Baufälligkeit abgebrochen. In dieser Baulücke erfolgte nun die archäologische Untersuchung. Gleich zu Beginn kam im Bereich der untersten Terrasse überraschend ein beinahe vollständig erhaltener, etwa 7 m langer und 6 m breiter Gewölbekeller des 16./17. Jahrhunderts zum Vorschein. Der Kellereingang wurde mit dem Umbau der darüber liegenden Geschosse nach dem Stadtbrand 1735 verändert. Im Erdgeschoss weisen verschiedene Fußböden auf eine Unterteilung in Wohn- und Stallbereich hin.
Auf der mittleren Terrasse wurden der Unterbau eines Ofens mit Arbeitsgrube und Schürkanal sowie ein (Kühl-?)Becken einer Seifensiederei aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts erfasst, die sich noch im Urkataster von 1824 nachweisen lässt. Hier wurde im sogenannten Heißverfahren aus tierischen Fetten unter Zugabe von Wasser und Pottasche Kernseife hergestellt.
Diese archäologischen Relikte einer Seifensiederei stellen bundesweit eine Rarität dar, bislang kann kein archäologisch untersuchtes Vergleichsbeispiel benannt werden. Vom Vorgängerbau der Seifensiederei wurden die Reste des massiven Erdgeschosses mit einem kontrolliert abgebrochenen, nur zur Hälfte in den Boden eingetieften Gewölbekeller erfasst. Eine in den Stampflehmboden des Kellers eingegrabene Grube enthielt zahlreiche plastisch gestaltete Ofenkacheln aus der Zeit um 1600. Die teilweise – beim Stadtbrand 1644? – verbrannten Kacheln stammen von mindestens zwei, vermutlich sogar drei Öfen. Ein Ofen war mit schwarz und/oder grün glasierten Blattkacheln mit figürlichen Reliefs besetzt. Unter dem typischen Architekturrahmen der Renaissancezeit wurden Allegorien der Tugenden in Form alttestamentarischer Personen dargestellt, z. B. Samson als Sinnbild der Stärke; auf den ersten Blick zu erkennen sind u. a. auch Noah und Moses. Solche Ofenkacheln zeugen von einem hohen Einrichtungsstandard des Hauses, in dem dieser Ofen stand: Besonders ähnliche Kacheln stammen u. a. von der Burg Hohenklingen bei Schaffhausen!
Ob eine fast vollständig erhaltene, grün glasierte Blattkachel mit der ungewöhnlichen Darstellung der Lucrezia im Augenblick ihrer Selbsttötung mit beigefügter Jahreszahl »1538« beim jüngeren Ofen sekundär mitverwendet wurde oder zusammen mit anderen Kacheln von einem älteren Ofen stammt, muss die zukünftige Analyse des Fundmaterials zeigen. Weshalb die Kacheln im Keller vergraben wurden, bleibt jedenfalls rätselhaft.
In der oberen Terrasse wurden schließlich unter den Störungen der späteren Bebauung und einer Brandschuttschicht die Überreste eines dritten, wohl flach gedeckten Kellers dokumentiert. Das Fundmaterial aus der Brandschuttschicht datiert in das späte 15. Jahrhundert, so dass dieser Keller als ältester Befund im Grabungsareal anzusprechen ist.
Die in kurzer Zeit gewonnenen Grabungsergebnisse ermöglichen einen kleinen, aber überraschenden vielseitigen Einblick in die Nutzung und bauliche Entwicklung dreier Parzellen an einem Nebengässchen des Rottenburger Marktplatzes vom Spätmittelalter bis in das frühe 19. Jahrhundert.
Die Ausgrabung erfolgte in Zusammenarbeit mit der für den Tiefbau zuständigen Baufirma Groetz (Stuttgart/Nürtingen). Grabungsleiter Tilmann Marstaller wurde unterstützt durch den technischer Leiter Markus Wolf sowie wenige wechselnde grabungserfahrene Mitarbeiter; die Fachaufsicht lag beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Dienstsitz Tübingen, Fachbereich Mittelalter- und Neuzeitarchäologie).