»Diese längste und größte jemals gebaute maßstabsgetreue Rekonstruktion der Umwehrungsanlage eines Römerlagers ist der Versuch, römische Bau- und Kulturgeschichte erlebbar zu machen«, betonte LWL-Direktor Matthias Löb am Dienstag (28.6.) in Haltern. 156 Meter lang ist der Abschnitt der westlichen Umwehrung des früheren römischen Hauptlagers, in dem rund 5.000 Legionäre die Eroberung der rechtsrheinischen germanischen Gebiete vorbereiteten. Acht Meter hoch sind die Tortürme, 256 Kubikmeter frisches Eichenholz wurden verbaut. Über acht Wochen lang haben die Handwerker die Pfosten wie zu römischen Zeiten mit dem Beil in Form gebracht.
Eine Baustelle, die noch nicht beendet ist: In Zukunft sollen hier weitere Lagerbauten mit römischen Bautechniken entstehen - zum Anschauen, Erleben und auch zum Mitbauen.
War der römische Militärkomplex in Haltern tatsächlich das in der antiken Literatur beschriebene Aliso? Und damit auch ein Verwaltungszentrum der Provinz und der letzte Stützpunkt, den die Römer nach der Niederlage in der Varusschlacht 9 n. Chr. noch gehalten haben? Das belegen inzwischen schriftliche Quellen wie auch archäologische Funde, zum Beispiel auch Verstärkungen an den Schutzmauern. Löb: »Wer weiß: Hätten die Römer das Lager in Haltern wie geplant ausgebaut, dann läge Berlin heute nicht an der Spree sondern an der Lippe.«
Beeindruckt ist auch NRW-Bauminister Martin Groschek, dessen Ministerium den Bau maßgeblich mitfinanziert hat: »Wer eine Reise in die Vergangenheit wagen will, kann auf der Baustelle Aliso Geschichte hautnah erleben. Man bekommt eine Vorstellung davon, wie Haltern am See vor 2.000 Jahren ausgesehen hat. Es ist bewundernswert, was die rund 5.000 römischen Soldaten schon vor zwei Jahrtausenden gebaut haben - und das ganz ohne Bagger und technische Errungenschaften. Die eingesetzten Landesmittel - bisher 733.600 Euro Stadtentwicklungs- und Städtebaufördermittel - sind jeden Cent wert.«
Wer die Treppenstufen des Westtores hinaufsteigt und unter den Aufgängen zu den Türmen durch die dort aufgestellten Ferngläser blickt, erlebt weit mehr Eindrücke, als der bloße Anblick der Nachbauten erahnen lässt. Hier streift das Auge nicht, wie zu erwarten wäre, den realen Horizont, sondern sieht genau das, was bereits die Soldaten zurzeit von Kaiser Augustus in der Landschaft westlich ihres Lagers erblickten: Da marschieren Soldaten, im Hintergrund steigt Rauch auf und eine Menschenmenge versammelt sich um ein Begräbnis an der Gräberstraße mit ihren eindrucksvollen Grabbauten.
Rund 1,5 Millionen Euro hat der erste Bauabschnitt gekostet. Das umfasst auch die Errichtung einer Rampe, die Menschen mit Handicap den Zugang auf die Holz-Erde-Mauer und das Westtorermöglicht. »Die ersten Rekonstruktionsversuche von Teilen der Lagerumwehrung gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts - keiner der insgesamt drei Versuche war besonders dauerhaft«, weiß Museumsleiter Dr. Rudolf Aßkamp. Die ersten konzeptionellen Überlegungen für diesen vierten Anlauf gab es bereits 1987. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis in der LWL-Landschaftsversammlung der Grundsatzbeschluss zur Umsetzung gefasst wurde. Im April 2012 erfolgte der erste Spatenstich, nach dem Erwerb der Flächen und nach archäologischen Untersuchungen konnte im Frühjahr 2015 mit dem Bau begonnen werden. Jeder Schritt fußte dabei auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der niederländische Bauforscher Kees Peterse zu dem Projekt beitrug.
Auf der LWL-Römerbaustelle sollen im zweiten Bauabschnitt ab 2018 noch ein Kasernengebäude und eine Offiziersunterkunft entstehen - mit den originalen Bautechniken wie zu römischen Zeiten. Geplant ist, dass die Besucher nicht nur dabei zuschauen können, sondern auch selbst Hand anlegen und dabei helfen, Elemente einer Standard-Kaserne der Römerzeit entstehen zu lassen.