Die bolivianische Regierung hatte im Mai 2013 das Bernische Historische Museum darum ersucht, die Steinfigur BHM Inv. Nr. Pe 145 an Bolivien zu übergeben. Dort wird sie seit einigen Jahren vom Dekolonisationsministerium und von Vertretern indigener Völker als eine Darstellung der Gottheit Ekeko angesehen. Von Bolivien und dem Bernischen Historischen Museum angefragte Experten interpretieren die Steinfigur unterschiedlich. Wissenschaftliche Experten der präkolumbianischen Kultur haben festgehalten, dass die Figur nicht die männliche Gottheit Ekeko sondern vielmehr eine weibliche Gestalt darstellen dürfte.
Die Steinfigur ist eines der besterhaltenen und schönsten Zeugnisse der Pukara-Kultur (200 v. Chr. bis 200 n. Chr., Nordseite des Titicacasees, heute Peru). Der Schweizer Naturforscher und Linguist Johann Jakob von Tschudi brachte sie 1858 in Tiwananku (Bolivien) unter Einsatz einer Flasche Cognac in seinen Besitz. Von dessen Nachkommen hat das Bernische Historische Museum die Figur 1929 käuflich erworben. Die Ruinenstätte Tiwanaku auf der Südseite des Titicacasees ist einer der bedeutendsten archäologischen Komplexe Boliviens und gehört seit 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Vertreter und Vertreterinnen Boliviens und des Bernischen Historischen Museums sind sich einig, dass die Figur Teil des kulturellen Erbes der Menschheit ist und für die Geschichte und Kulturen des ganzen Andenhochlandes eine grosse Bedeutung hat.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände hat das Bernische Historische Museum in Übereinstimmung mit den ethischen Richtlinien des Internationalen Museumsrats (ICOM) die Steinfigur dem Museo Nacional de Arqueología in La Paz übergeben, wo sie in der Dauerausstellung der Öffentlichkeit präsentiert wird. Gleichzeitig haben sich die beiden Museen in Bezug auf die Figur zur Zusammenarbeit in den Bereichen Konservierung, Forschung und Vermittlung verpflichtet. Durch diese Lösung können beide Seiten profitieren. »Die Figur wird in Bolivien stärker in den Fokus von Öffentlichkeit und Wissenschaft gerückt«, betont Museumsdirektor Jakob Messerli. Das Ende September 2014 wiedereröffnete Museo Nacional de Arqueología in La Paz kann dabei vom Know-how und der Erfahrung des Bernischen Historischen Museums profitieren. Das Museum in Bolivien dagegen verfügt über bedeutende Sammlungsbestände zur präkolumbianischen Kultur. »Wir würden uns freuen«, ergänzt die bolivianische Botschafterin Elizabeth Salguero Carrillo, »wenn die Zusammenarbeit zwischen den beiden Museen zu einer Ausstellung über die faszinierenden präkolumbianischen Kulturen des Andenhochlandes in Bern führen würde.« Es ist vorgesehen, dass noch dieses Jahr eine Delegation des Bernischen Historischen Museums das Museo Nacional de Arqueología in La Paz besuchen wird, um erste Gespräche über die geplante Zusammenarbeit zu führen.