Spätestens seit den »ICE AGE«-Filmen sind die Mammuts nicht nur kennzeichnend für die Eiszeit, sondern haben sich zu echten Sympathieträgern entwickelt. Wer könnte schon den dicken, wolligen und gemütlich wirkenden Tieren widerstehen? Das Film-Mammut »Manni« ist zwar nur ein gegenwärtiges Bild für eine Eiszeit, die es als homogene Zeitspanne so gar nicht gegeben hat, hat aber das allgemeine Interesse insbesondere an der eiszeitlichen Tierwelt erneut entfacht.
Nach der erfolgreichen Sonderschau »Ötzi — Tod im Eis« im vergangenen Jahr zeichnet »Eiszeitriesen — Mammuts in Nebra« seit heute ein lebendiges Bild der eiszeitlichen Umwelt — lange bevor es Ötzi in die Alpen zog. Zeitlich spannt sich ein weiter Bogen über 250.000 Jahre. Mit »Eiszeit« ist umgangssprachlich meist das Weichsel-Glazial, die letzte große Kälteperiode gemeint, die vor gut 117.000 Jahren begann. Seit über 10.000 Jahren befindet sich die Welt nun in einem Zwischenhoch, erdgeschichtlich dauert das Eiszeitalter aber nach wie vor an, und die nächste Kaltphase steht bevor.
Ausgestorbene Riesen und tierische Überlebenskünstler
Im Mittelpunkt der Schau in der Arche Nebra stehen die gewaltigen Tiere der Eiszeit. Bereits im Foyer werden die Besucher von ihnen empfangen: Lebensechte Rekonstruktionen einer Mammut-Mutter mit ihrem Jungen sowie eines jungen Wollnashorns laden dazu ein, sich einmal in die Perspektive der Eiszeitjäger zu versetzen. Angesichts der Größe leuchtet ein, dass Mammuts und Wollnashörner wohl nicht die Hauptbeutetiere der Jäger waren. Rentiere und Wildpferde waren wesentlich ungefährlichere Jagdtiere. Auch im Panoramasaal der Arche Nebra stehen auf gut 150 qm Ausstellungsfläche die Eiszeitriesen im Zentrum: Eine ganze Mammut-Familie, bestehend aus Männchen, Weibchen und Jungtier, begrüßt die Besucher. Die drei Skelette stammen aus dem sibirischen Permafrostboden und sind aus Knochen von verschiedenen Fundstätten zusammengesetzt. Achtung Mammut: Wie groß sind die Tiere, wie schwer, was fressen sie, wie alt werden sie und wo waren sie verbreitet? Der „Mammut-Steckbrief“ gibt Auskunft. Besonders tragisch ist die Geschichte der kleinen Lyuba. Das Mammut-Baby — zu sehen als Replik — ist vor etwa 40.000 Jahren im Alter von wenigen Monaten im Schlamm erstickt, als seine Herde einen Fluss überquerte. Die originale Mumie des Tieres ist aufgrund ihres guten Erhaltungszustandes von Bedeutung für die Forschung, weil sich neben den Knochen auch die Haut und die inneren Organe gut erhalten haben. Ein originaler Mammut-Zahn aus Sachsen-Anhalt ergänzt die Präsentation — denn auch hierzulande waren die prähistorischen Riesen unterwegs. Und nicht nur Mammuts — auch Riesenhirsch, Höhlenbär und Moschusochse sind mit ausgewählten Funden als „Eiszeitriesen“ in der Sonderschau vertreten.
Dementsprechend gab es Eiszeitjäger auch im Unstruttal. Knochenfunde von Wildpferd, Ren, Eisfuchs und Schneehase — fast alle gefunden in Nebra, auf dem Gelände eines altsteinzeitlichen Lagerplatzes, belegen es. Die Lage des Platzes auf einem Bergsporn war optimal. Sie bot gute Aussicht auf die zwischen Tal und Hochfläche ziehenden Wildtierherden. Über 12.000 Steingeräte und 5.000 Knochenfunde zeigen, dass die Jagdstation in Nebra vor ca. 15.000 Jahren über viele Jahre regelmäßig von den Eiszeitjägern des Unstruttales aufgesucht wurde.
Aussicht auf Beute
Wer waren nun die Eiszeitjäger? Der Neandertaler und der moderne Mensch trotzten Kälte und Eis. Sie passten sich an das Klima an und entwickelten ausgefeilte Überlebensstrategien, die sich in Jagdwaffen und Werkzeugen widerspiegelt. Exemplarische Stücke aus den Sammlungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wie Faustkeile und Blattspitzen zeigen die großen handwerklichen Fähigkeiten des prähistorischen Menschen. Insbesondere der Jetztmensch entwickelte aufgrund seiner Jagdspezialisierung auf Rentiere und Wildpferde im offenen Gelände neue Jagdtechniken und Geräte: So konnten die Jäger beispielsweise mit einer Speerschleuder gegenüber dem einfachen Speerwurf die Reichweite der Geschosse auf bis zu 30 m erhöhen.
Das Überleben der Menschen hing wesentlich von ihren Jagderfolgen ab. Denn die Tiere lieferten nicht nur Fleisch als Nahrung, sondern auch Fell, z. B. für die Herstellung von Kleidung, und Knochen, Horn und Sehnen für Werkzeuge aller Art. Der Mensch kannte »seine« Tiere gut und wusste sie in Form von Höhlenmalereien und Kleinplastiken detailreich und präzise darzustellen. In der Vogelherd-Höhle in Baden-Württemberg wurden beispielsweise mehrere ca. 35.000 Jahre alte Tierfiguren gefunden. Ein Bär, ein Höhlenlöwe, ein Wildpferd und natürlich Mammutfiguren sind exemplarisch für das Kunstschaffen des eiszeitlichen Menschen als Nachbildungen in der Sonderschau zu sehen. Menschen wurden ebenfalls geformt — auch in Nebra. Vom bereits erwähnten Eiszeitlagerplatz in Nebra stammen die 15.000 Jahre alten Venusstatuetten von Nebra. Drei stark stilisierte Frauenfigürchen aus Mammutelfenbein fanden sich in Gruben auf dem Areal des Lagerplatzes vergraben. Die Venusstatuetten, die als Nachbildungen in der Sonderschau gezeigt werden, geben einen kleinen Einblick in die magisch-religiöse Vorstellungswelt der damaligen Menschen.
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Familienaktionstagen und Workshops, z. B. zum Bau einer Speerschleuder, Lederverarbeitung, Schmuckherstellung u. v. m., ergänzt die Sonderschau, die bis zum 4. November 2012 in der Arche Nebra zu sehen ist. Die ersten Höhepunkte im Veranstaltungsprogramm sind der Einführungsvortrag über »Klima und Umwelt zur Zeit des Neandertalers« am 4.4. und ein Familienaktionstag am Ostersonntag mit anschließender langer Filmnacht, bei der die Filme »ICE AGE« 1 - 3 gezeigt werden (der vierte Film startet passenderweise in diesem Sommer). Regelmäßig an den Wochenenden um 15.15 Uhr werden öffentliche Führungen angeboten. »Eiszeitriesen — Mammuts in Nebra« ist täglich geöffnet.