Eisenzeit in Westfalen: Publikation füllt wissenschaftliche Lücke

Mit der ersten Gesamtdarstellung zur Eisenzeit in Westfalen schließt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Forschungslücke: 49 Fachwissenschaftler geben einen umfassenden Überblick über die Ereignisse in Westfalen vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis zur Zeitwende.

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Rösenbecker Höhle
Archäologische Untersuchung der Rösenbecker Höhle in Brilon, bei der große Mengen von eisenzeitlicher Keramik entdeckt wurden. Foto: LWL/Knäpper

Auf 264 Seiten ist, gemeinsam herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und von der Altertumskommission für Westfalen, das elementare archäologische Wissen über die Entwicklung der Region mit der Entdeckung des Eisens enthalten. Interessierte können sich über die aktuellen Forschungsergebnisse informieren, finden Einblick in ein neu erarbeitetes Schema der chronologischen Zeitstufen der Eisenzeit in Westfalen und bislang unveröffentlichte Erkenntnisse älterer Ausgrabungen.

"Wissenschaftler des LWL, verschiedener Universitäten und Museen haben Hand in Hand über die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hinaus gemeinsam daran gearbeitet, diese Lücke in der Reihe archäologischer Publikationen zu füllen", so Prof. Dr. Michael M. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen.

Im Mittelpunkt des Bandes steht mit der Eisenzeit eine der bedeutendsten Epochen der westfälischen Geschichte. Das neue Metall sorgte für große Umwälzungen. Der Mittelgebirgsraum wurde umfassend besiedelt. Hochspezialisierte Produktionszentren entstanden, strahlten über die Region hinaus eine neue Dynamik aus. Eine gegliederte Gesellschaft wurde greifbar. Die Spuren sind heute noch sichtbar, etwa dort, wo massive Befestigungen auf zahlreichen Bergen errichtet wurden und im heutigen Landschaftsbild noch als Wälle erkennbar sind. Westfalen und seine Bewohner traten über antike Schriftquellen erstmalig in das Licht der Geschichte. Zwischen Kelten und Germanen gelegen, entwickelte sich die Region als Teil einer der wichtigen kulturellen Grenzregionen Mitteleuropas unter vielfältigen Einflüssen weiter.

Siedlung in Herten

Siedlungsweisen, Ernährung, Religion, Technologie und Handel sind Aspekte aus diesem Kapitel westfälischer Geschichte. Burgen, Kleidung, Waffen und Gräber: In der neuen Publikation gibt es vieles zu entdecken. Darunter befindet sich eine eisenzeitliche Siedlung aus Herten. Die Archäologen erforschten zwischen 1983 und 2009, wie die Menschen hier lebten. Mehr als 20 Speicherbauten wurden ausgegraben. Sie sicherten die Vorratshaltung der damaligen Bewohner. Die eisenzeitlichen "Westfalen" lebten mit ihrem Vieh unter einem Dach in großen Wohnstallhäusern - auch hiervon konnten die Archäologen in Herten Spuren dokumentieren. Mehr als ein Dutzend Brunnen gewährleisteten die Wasserversorgung. Töpferöfen, Gebäude mit Webgewichten für die Textilherstellung kamen im Boden zum Vorschein und geben einen Einblick in das Alltagsleben. Eine Besonderheit waren die Werkgruben. Ihre Abmessung und Ausprägung führen zu einer Interpretation als Grubenhäuser - eine Bauform, die für die westfälische Eisenzeit bislang unbekannt war.

Funde in Höxter

Selten sind in Westfalen Hort- und Weihefunde aus der Eisenzeit. Nur rund ein Dutzend Fundorte sind bekannt. In Höxter jedoch wurde ein ganzes Depot mit sieben Armringen entdeckt. Die Objekte verraten viel über das damalige handwerkliche Können, aber auch über die weitreichenden Handelsbeziehungen. So stammen die Armringe sowohl aus heimischer Produktion wie auch aus Werkstätten in Thüringen, Westniedersachsen und vom Niederrhein. Zwei Scheiben aus Bronzeblech, die mit Medusenhäuptern verziert waren und in den Paderquellen in Paderborn gefunden wurden, sind sogar in Italien beheimatet. Ein Hort aus Lienen-Kattenvenne besteht aus fünf bronzenen Halsringen und zehn großen Bernsteinperlen mit einem Durchmesser von über sechs Zentimetern. Der Fund zeigt Verbindungen nach Niedersachsen auf.

Höhlen in Südwestfalen

Fast schon abenteuerlich sind die Untersuchungen der Archäologen. Insbesondere in eisenzeitlichen Höhlen in Südwestfalen gibt es viele Funde, die von Keramikscherben über Metallobjekte und Tierknochen bis zu menschlichen Überresten reichen. Wie diese Höhlen genutzt wurden und welche Informationen die menschlichen Skelette dank modernster Untersuchungsmethoden preisgeben, dem geht die Publikation auf den Grund.

Die Befunde und Funde aus fast allen Regionen Westfalens verdeutlichen, wie großräumig vernetzt die Menschen schon vor rund 2.800 Jahren waren. Hier finden sich Einflüsse aus dem germanischen Norden, aber auch aus dem keltischen Süden. Inspirationen aus beiden Gebieten und Kulturen wurden übernommen und zu einer eigenen Identität weiterentwickelt. Die Publikation ist auch deshalb wichtig, weil archäologische Fundstellen durch die unterschiedlichsten Formen moderner Bodennutzung immer stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Ausgrabungen sind immer häufiger die einzige Möglichkeit, die Zeugnisse der Vergangenheit zu dokumentieren und so für spätere Generationen zu bewahren.

Das Buch ist ab sofort in jeder Buchhandlung erhältlich. Sie ist der inzwischen dritte Teil einer Publikationsreihe über die archäologischen Forschungen zu den einzelnen Epochen in Westfalen. Erschienen sind in dieser Reihe bereits im Jahr 2008 eine Publikationen über die Bronzezeit sowie im Jahr 2013 über die Alt- und Mittelsteinzeit. Der Band zur Bronzezeit ist aufgrund der großen Nachfrage bereits vergriffen, steht aber ab sofort auf der Homepage der LWL-Archäologie zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Publikation

Jürgen Gaffrey, Eva Cichy, Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit
Philipp von Zabern, Darmstadt 2015
264 Seiten, 355 Abbildungen
ISBN 978-3-8053-4918-5

Eisenzeitliche Tracht
Reiches Trachtensemble einer Frau aus Lienen-Kattenvenne. Foto: LWL/Jülich
Hausgrundriss Eisenzeit
Grundriss eines mittel- und späteisenzeitlichen Hauses in Warendorf-Milte mit Pfostenspuren. Foto: LWL