Auf dem Gelände eines römischen Landgutes stieß ein Team von Archäologen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland auf ein einzigartiges und überaus prächtig ausgestattetes Priesterinnengrab eines ägyptischen Kultes. Das Grab wird in das 2. Jahrhundert n. Chr. datiert.
Zusammen mit drei anderen Gräbern war die Priesterin in einem hölzernen Grabbau beigesetzt. Zuvor wurde sie auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Ihre Kleidung bestand aus einem golddurchtränkten Stoff sowie einem goldenen Haarnetz. Zu der Bestattung gehörten ungewöhnlich kunstvoll gearbeitete und kostbare Beigaben.
Dabei fand man nicht nur über 50 gut erhaltene Keramik- und Glasgefäße, sondern auch eine bei Kulthandlungen verwendete Trankopferschale aus dem Halbedelstein Chalzedon, Reste eines einzigartigen Klappstuhls, eine Opferschale aus einem handtellergroßen Bernstein und ein hölzernes Kästchen (30 x 30 cm) mit einer äußerst qualitätvollen und präzisen Reliefdarstellungen aus Schildpattverkleidung, d.h. aus Schildkrötenpanzer. Nach Aussagen der Fachleute handelt es sich hierbei um ein Kunstobjekt, wie es bisher ohne direkten Vergleich in der römischen Welt ist.
Auf diesem Kästchen, einer sogenannten Accera, sind neben sechs römischen Göttern wie Mars, Juno, Apollo, Sol und Minerva noch zwei ägyptische Gottheiten Serapis und Hermanubis vertreten. Ihr (Fruchtbarkeits- und Heilungs-)Kult ist in den germanischen Provinzen nur sehr selten nachzuweisen und konzentriert sich bislang auf größere Zentren wie Mainz und Köln.
Da das Grab der Priesterin mit der zugehörigen Architektur einem Tempelgrab gleicht, ist es wahrscheinlich, dass wohlhabende einheimische Anhänger des Kultes aus Köln und Umgebung zu der geheimnisvollen Priesterin pilgerten, wie Gläubige im Mittelalter zu den Heiligen. Im römischen Köln hat es sicher einen Serapis-Kult gegeben, wie ein Inschriftenstein vom Gelände des Kölner Doms belegt. Das Priesterinnengrab aus Erkelenz-Borschemisch steht im Kontext der angrenzenden römischen Villa, die auch über einen größeren heiligen Bezirk verfügte, wie einige Tempelanlagen und der Nachweis eines Baumkultes belegen.
Mit dem Bernstein, der wahrscheinlich aus dem Baltikum stammt, Chalzedon und Schildpatt wohl aus dem indischen Raum, den Nachweisen für einen ägyptischen Kult und dem goldenem Haarnetz, wie es auch aus der Stadt Rom selbst belegt ist, versammeln sich im Grab Einflüsse aus ganz unterschiedlichen Bereichen der römischen Welt und darüber hinaus. Solche Ausformungen einer »globalisierten Gesellschaft« erinnern uns an die heutigen multikulturellen und weltweit vernetzten Verhältnisse.
Das Priesterinnengrab aus Erkelenz-Borschemich stellt eines der großen Highlights in der Archäologischen Landesausstellung Nordrhein-Westfalen dar. Es ist im zweiten Obergeschoss des LVR-LandesMuseums Bonn ausgestellt.
Das Priesterinnengrab: Eine Übersicht der Beigaben
- Leichenbrand eines Schweines und Tierknochen als mögliche Speisebeigaben von Schwein, Rind, Huhn und Karpfen.
- Ein mit Schildpatt beschlagenes Holzkästchen befand sich an der nördlichen Längsseite.
- Drei gläserne Gefäße (Ungentarien)
- Über 50 hochwertige Keramikgefäße
- Bronzenes Waschservice, bestehend aus ovaler Schüssel mit Deckel, darin ein Doppelhenkelkrug
- Ein eiserner Klappstuhl
- Schlichte Talglampe
- Kamm, Pyxis, Nadel aus Beinknochen
- 3-4 mm kleine Flachhülsen aus Goldblech als Ummantelung von Textilfäden gehören zu einem goldenen Haarnetz
- Chalzedon-Schale mit abgeflachter Abgusszone: wahrscheinlich Trankopfergefäß (Libation) für Kulthandlungen. An der Unterseite Einschnitzungen in floraler Form mit einem Motiv des Mysterienkultes: eine Schlange am Lebensbaum.
- Handtellergroße flache Opferschale aus Bernstein
- Fingerring mit Kopfplatte und Stiftfassung für drehbar gelagerten Schmuckstein (Sekundärbeigabe)
Publikationen
Alfred Schuler, Römisches Grabidyll mit reichen Brandbestattungen bei Borschemich. Archäologie im Rheinland 2013 (2014), 141-144.
Eine umfangreiche wissenschaftliche Fundvorlage in den Bonner Jahrbüchern ist zum Druck eingereicht.
Informationen zur Archäologischen Landesausstellung NRW
Die Archäologische Landesausstellung NRW findet in einem Turnus von fünf Jahren statt. Im Ausstellungstitel REVOLUTION jungSTEINZEIT spiegelt sich der thematische Schwerpunkt, die Zeit der ersten Ackerbauern und Viehzüchter in Europa, wider. Daneben behandelt der zweite Ausstellungsteil im zweiten Obergeschoss des LVR-Landesmuseums Bonn modernste Methoden der Archäologie anhand von herausragenden Fallbeispielen von der Paläontologie bis in die Neuzeit.
Weitere Standorte der Landesausstellung sind:
2. Juli 2016 bis 26. Februar 2017: Lippisches Landesmuseum Detmold
3. Juni bis 22. Oktober 2017: LWL-Museum für Archäologie, Westfälisches Landesmuseum Herne