Das für die wissenschaftliche Forschung bedeutende Vorhaben wird in erheblichem Umfang durch die Manfred-Lautenschläger-Stiftung gefördert. Vertreter der beteiligten Institutionen – unter ihnen der Präfekt der Vatikanischen Bibliothek – haben das Projekt gemeinsam mit dem Förderer am heutigen Freitag (26. Oktober 2012) der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Ursprünge der Bibliotheca Palatina reichen zurück bis zur Gründung der Universität Heidelberg im Jahr 1386. Indem sie im Laufe der Zeit die universitären und pfalzgräflich-fürstlichen Sammlungen vereinte, repräsentierte die Palatina quasi das komplette Wissen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Zu ihrer Blütezeit, Anfang des 17. Jahrhunderts, galt die Bibliothek als »optimus Germaniae literatae thesaurus«, als der größte Schatz aller Gebildeten in Deutschland. Ihr vorläufiges Ende fand sie mit der Eroberung Heidelbergs durch katholische Truppen während des Dreißigjährigen Krieges. Papst Gregor XV. verlangte nun die gesamte Bibliothek, die geistige Rüstkammer der Protestanten, als Kriegsbeute. Nach einer halbjährigen Reise trafen 3.700 mittelalterliche Handschriften und 13.000 Druckwerke im August 1623 in der Biblioteca Vaticana ein. Erst im Jahr 1816 konnten – aufgrund von Vereinbarungen während des Wiener Kongresses – zumindest die 847 deutschsprachigen Handschriften wieder in ihre alte Bibliotheksheimat zurückkehren. Bis auf einige wenige griechische und lateinische Codices liegen alle übrigen, nicht deutschsprachigen Handschriften und sämtliche Drucke noch heute in den Tresoren der Vatikanischen Bibliothek in Rom.
»Dank der großzügigen Finanzierung durch Dr. h.c. Manfred Lautenschläger und seine Stiftung können wir jetzt die Voraussetzung dafür schaffen, dass Forscher ebenso wie die interessierte Öffentlichkeit unabhängig von Ort und Zeit Einblick in die digitalisierte Bibliothek nehmen können, während die kostbaren Originale unter konservatorisch besten Bedingungen in den klimatisierten Tresoren verbleiben«, betonte der Rektor der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Bernhard Eitel. Er dankte dabei dem Präfekten der Biblioteca Apostolica Vaticana, Monsignore Cesare Pasini, für die Bereitschaft, die lateinischen Handschriften durch die Digitalisierung zugänglich zu machen. Über die Vorgeschichte und die Realisierung dieser Digitalisierungsarbeiten informierte der Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Veit Probst, gemeinsam mit dem Direktor der Sammlung Druckschriften in der Vatikanischen Bibliothek, Dr. Adalbert Roth.
Schon im Jahr 2001 hat die Universitätsbibliothek Heidelberg damit begonnen, erste Bände der herausragenden Büchersammlung mit modernen digitalen Techniken im Internet zugänglich zu machen. Seitdem arbeitet sie im Rahmen mehrerer Projekte, die die Digitalisierung von Teilen dieser Sammlung zum Ziel haben, an der virtuellen Rekonstruktion des einmaligen Bücherschatzes. Bereits im November 2010 wurde in Räumlichkeiten der Vatikanischen Bibliothek eine »Außenstelle« des Heidelberger Digitalisierungszentrums eingerichtet. Ziel war zunächst die Digitalisierung der 133 mittelalterlichen Handschriften der Bibliotheca Palatina, die einst Pfalzgraf Ottheinrich aus dem Kloster Lorsch nach Heidelberg geholt hatte. Seit Januar 2012 digitalisiert die Universitätsbibliothek nun in einem langfristig angelegten Projekt auch die übrigen rund 1.900 lateinischen Codices.
Einmal pro Woche werden je nach Größe und Umfang vier bis sieben Handschriften aus den vatikanischen Tresoren in den klimatisierten und abgedunkelten Aufnahmeraum des Heidelberger Digitalisierungsstudios transportiert, wo sie mit Hilfe einer hochauflösenden Kamera fotografiert werden. Ein spezieller Kameratisch ermöglicht die kontaktlose und schonende Direktdigitalisierung dieser fragilen Objekte. Um einen reibungslosen und übersichtlichen Arbeitsablauf zu gewährleisten, hat die Universitätsbibliothek Heidelberg eine eigene Software entwickelt. Das Programm »DWork – Heidelberger Digitalisierungsworkflow« ermöglicht die automatische Abwicklung sämtlicher Einzelschritte von der Metadatenerstellung über die Generierung der Internetpräsentation bis hin zur Langzeitarchivierung. Eine Nachbearbeitung mit professionellen Bildbearbeitungsprogrammen gewährleistet, dass das digitale Faksimile so weit wie möglich dem Original entspricht.
Informationen zum Projekt »Bibliotheca Palatina – digital« können im Internet unter der Adresse http://palatina-digital.uni-hd.de abgerufen werden.