Angetroffen wurde dabei eine ausgedehnte römische Töpferei, die bereits Ende der 1920er Jahre beim damaligen Bau der jetzt abgetragenen Wohnhäuser festgestellt wurde. In der aktuell laufenden Maßnahme konnte bislang etwa ein Dutzend Töpferöfen sowie umfangreiches Keramikmaterial und Hausreste aus dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus dokumentiert werden. In dem angrenzenden Areal ist mit weiteren wenigstens 50 Töpferöfen zu rechnen, was diesen Platz als eine der größten bekannten „Industrieanlagen" des römischen Baden-Württembergs ausweist.
Unter den bisherigen Funden sind insbesondere eine große Menge an Fehlbränden römischer Haushaltsgefäße bedeutsam, die das breite Spektrum der hier produzierten Keramik belegen. Die wissenschaftliche Auswertung dieser Funde wird nicht nur Neues zur römischen Geschichte Cannstatts allein liefern, sondern angesichts der herausragenden Möglichkeit, Handelsbeziehungen und Absatzmärkte von Töpfereien zu studieren, auch für den gesamten Neckarraum in römischer Zeit.
Die Fundstelle ist Teil der ausgedehnten römischen Zivilsiedlung von Bad Cannstatt. Nach der Anlage eines über 3,5 Hektar großen Reiterkastells zur Überwachung des Neckarlimes entwickelte sich das römische Cannstatt etwa ab dem Jahr 100 n.Chr. zu einem der wichtigsten Straßenknoten in Süddeutschland. Während der römischen Epoche unseres Landes lief durch Cannstatt nahezu der gesamte Fernverkehr vom Rhein an die Donau. Auch die reichen Mineralwasserquellen dürften während der knapp zweihundert Jahre nachweisbaren antiken Besiedlung bereits genutzt worden sein. Erste Hinweise auf die römische Vergangenheit der Stadt gibt es bereits seit dem 16. Jahrhundert. Aus dem Bereich rings um die ehemaligen Reiterkasernen sind insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts Funde bekannt geworden. Dennoch sind bis heute viele Fragen zur Frühgeschichte Cannstatts offen, da weite Bereiche des antiken Siedlungsgebietes bereits im Mittelalter überbaut wurden und für die archäologische Erforschung nicht mehr zur Verfügung stehen. So ist neben Fragen zur Ausdehnung und Entwicklung der römischen Siedlung insbesondere ihr Schicksal am Ende der Limeszeit und die frühmittelalterliche Besiedlung nahezu völlig unbekannt. Umso wichtiger ist daher die Möglichkeit, die wenigen verbliebenen Restflächen zu untersuchen wie im Rahmen der gegenwärtigen Baumaßnahme geschehen.
Die Ausgrabungen werden spätestens Ende kommender Woche abgeschlossen sein, so dass das Bauvorhaben ohne Einschränkungen weitergeführt werden kann.