»Das Federseemoor ist nicht nur ein bedeutendes Naturschutzgebiet, sondern mit über 20 prähistorischen Feuchtbodensiedlungen und über 60 Einbaumfunden das fundreichste Moor Europas. Besonders viele prähistorische Fundstellen liegen rund um die ehemalige Insel Bad Buchau, einer mineralischen Anhöhe mitten im Moor«, erklärte Prof. Dr. Claus Wolf, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, bei der heutigen Pressekonferenz in Bad Buchau.
Auf dem Gelände des Gesundheitszentrums Federsee sind gleich mehrere prähistorische Siedlungen bekannt, die bis 3.900 vor Christus zurück reichen. Parallel zur heutigen Wuhrstraße, der kürzesten Verbindung zwischen Insel und Festland, wurden schon bei früheren Grabungen Bohlenwege aus der Bronzezeit dokumentiert. In Verlängerung dieser bereits bekannten Bohlenwege plant die Moor-Heilbad-Buchau gGmbH den Neubau eines Pflegeheims (»Haus Irmengardis«). Es war deshalb schon in der Planungsphase klar, dass baubegleitende Rettungsgrabungen notwendig werden würden.
Sondierungen im Vorfeld erbrachten im südlichen Teil der Baugrube zahlreiche liegende, teilweise bearbeitete Hölzer und prähistorisches Fundmaterial. Die Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart begannen im November 2018 und liefen den Winter hindurch. Sie fanden parallel zu den laufenden Bauarbeiten statt und stehen nun kurz vor dem Abschluss.
Die bisherigen Geländearbeiten wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum Federsee, der Stadt Bad Buchau und den beteiligten Baufirmen durchgeführt.
Die Ausgrabung
Auf einer Fläche von über 200 Quadratmetern konnten dichte Lagen von bearbeiteten und unbearbeiteten prähistorischen Hölzern und vereinzelte Bauelemente gefunden werden. Es wurden bislang von über 1.600 Hölzern Proben genommen und über 300 Funde sowie 80 hölzerne Bauelemente geborgen. Der freigelegte Holzbefund konnte auf der ganzen Länge der Baugrube auf über zwanzig Metern und etwa zehn bis zwölf Meter Breite erfasst werden. Die Hölzer liegen ohne erkennbare Struktur im ständig wassergesättigten Bereich. Dadurch war die gute Erhaltung über Jahrtausende möglich. Nach der Dokumentation und Entnahme der Hölzer zeigten sich im darunterliegenden Sand die Löcher der eingerammten Pfähle. In einigen steckten noch die abgebrochenen Spitzen der Pfähle.
Erste Ergebnisse
Aufgrund der mächtigen Pfähle und der Pfahlloch-Reihen handelte es sich vermutlich um hölzerne Brückenkonstruktionen. Die Breite des Holzbefundes entspricht der Breite der Bohlenwege und liegt genau in deren Verlängerung. Da die Bohlenwege mehrere Bauphasen umfassen, ist es wahrscheinlich, dass auch mehrere Brücken ausgegraben wurden. Die Konstruktionen wurden in offenes Wasser gebaut. Später verlandete das Areal und es bildete sich Torf darüber. Details zur Konstruktion und zu den einzelnen Bauphasen können erst durch die wissenschaftliche Auswertung geklärt werden. Es steht jedoch jetzt schon fest, dass durch die Grabungen wichtige Erkenntnisse zur ehemaligen Topografie und Hydrografie der Buchauer Insel und des Federsees gewonnen werden konnten.
Erste Datierungen durch das Dendrochronologische Labor des Landesamtes für Denkmalpflege liegen für Eichen und Eschen aus dem 15. Jahrhundert vor Christus vor. Die Datierungen werden gestützt durch die sogenannte 14C-Datierung. Ein Holz stammt von einer 626 vor Christus gefällten Rotbuche und gehört damit zeitlich zum bereits bekannten eisenzeitlichen Bohlenweg, der überwiegend aus Buchenholz im 7. Jahrhundert vor Christus errichtet wurde.
Seltenes Fundmaterial
Es konnten zahlreiche bearbeitete Hölzer freigelegt werden. Am häufigsten liegen angespitzte Pfähle vor, von denen mehrere Dutzend geborgen werden konnten. Ein besonderes Objekt ist ein Holz mit herausgearbeiteten tiefen Kerben, bei dem es sich um einen Steigbaum handeln könnte.
In der Seeablagerung zwischen den Hölzern wurden mehrere große Vorratsgefäße, Holzgeräte, Beile und Waffen gefunden. Zu den besonderen Stücken zählen zwei bronzene Beile (eines davon mit Holm), zwei Dolche und ein Schwert. Diese bronzene Waffen haben durch die Lagerung im feuchten Milieu ihren ursprünglich goldähnlichen Glanz bewahrt und sind nicht oxidiert, wie es auf Grabungen in mineralischen Böden der Fall ist. Zudem sind Waffenfunde aus der Mittelbronzezeit selten und meistens aus Gräbern bekannt.
Die Bedeutung der Fundstelle
Derartige Brückenkonstruktionen, beziehungsweise Übergange von Bohlenwegen an Land, sind bisher in der Vorgeschichte sehr selten beobachtet worden. Eine gute Parallele ist die Konstruktion der Zugangsbrücke in die Siedlung Forschner, die südöstlich von Bad Buchau im Ried liegt. Die Bearbeitung der Pfähle dieser mittelbronzezeitlichen Siedlung war identisch zu den Pfählen der Grabung Pflegeheim. Mehrere bronzezeitliche Brücken sind auch bei Freienbach über eine Engstelle des Zürichsees (Schweiz) bekannt. Somit gehören die Holzbefunde von Bad Buchau Pflegeheim zu den ältesten Belegen für Brücken in Europa. Bemerkenswert sind auch die seltenen Bronzefunde und die fast vollständigen Gefäße, die sich im Bereich der Brücken konzentrierten.
Die Massivität und Größe der Anlage spricht dafür, dass hier der bronzezeitliche Hauptzugang auf die Insel, also der Vorläufer der heutigen Wuhrstraße, gefunden wurde. Daraus lässt sich folgern, dass sich auf der Insel in der Mittelbronzezeit wohl nicht nur ein einfacher Bauernhof befand, sondern eine große, bedeutende Siedlung, möglicherweise ein Nachfolger der stark befestigten »Siedlung Forschner«.
Hintergrundinformationen
Die Mittelbronzezeit (circa 1.550 bis 1.350 vor Christus) ist eine spannende, aber bisher nicht sehr gut erforschte Epoche der Vorgeschichte. Am besten erforscht sind die Bestattungen in Grabhügeln, weshalb diese Periode in manchen Regionen auch »Hügelgräberbronzezeit« genannt wird.
Wichtige Innovationen wie Bronze haben sich endgültig durchgesetzt (erste Schwerter). Agrarische Verbesserungen sowie die Einführung neuer Nutzpflanzen (zum Beispiel Rispenhirse und Ackerbohne) und Haustiere (Pferde) dürften zu einem starken Bevölkerungswachstum geführt haben. Der Ausbruch des Vulkans Thera (heute: Santorin) um 1.550 vor Christus hat vermutlich in Europa einen deutlich spürbaren Klimarückschlag verursacht. Im östlichen Mittelmeer und Mesopotamien sowie Ägypten bestanden große Reiche (Ägypter, Hethiter, Minoer auf Kreta, Mykene, Troja). Weite Tausch- und Handelsnetzwerke existierten vom Baltikum (Bernstein) bis in den Vorderen Orient und von Vorderasien bis ins westliche Mittelmeer. Der Federsee, als kürzeste und teilweise schiffbare Verbindung zwischen Donau und Bodensee zum Hochrhein, hat dabei vielleicht eine größere Rolle gespielt, als bisher angenommen.