In der frühen Bronzezeit lässt sich in Mitteldeutschland erstmals eine hierarchische Gesellschaftsstruktur fassen, die ihren Ausdruck in »normierten« Grabausstattungen findet. An der Spitze stehen sogenannte Fürsten, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg (vom 2000 bis 1600 v. Chr.) in riesigen Grabhügeln bestatten lassen. Der größte dieser Fürstengrabhügel ist der Bornhöck, Gemeinde Schkopau-Raßnitz (Saalekreis), der seit 2014 vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Rahmen von Lehrgrabungen in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersucht wird. Vor nahezu 4.000 Jahren errichtet, wurde er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerstört. Der imposante Tumulus wies eine hölzerne Grabkammer auf. Er ist eindeutig jünger als das Begräbnis in dem bekannten »Fürstengrab« von Leubingen, Lkr. Sömmerda, (1942 v. Chr.). Auch das ebenso bedeutende Fürstengrab von Helmsdorf, Lkr. Mansfeld-Südharz, (1840 v. Chr.) ist älter als der Bornhöck.
Ziel der dreimonatigen Kampagne von Juni bis Anfang September 2017 unter der Leitung von Torsten Schunke M. A. ist es, den gesamten Innenbereich des Grabhügels freizulegen und die in den Vorjahren bereits in Ansätzen zu erkennenden archäologischen Befunde vollständig zu dokumentieren. Dabei gilt die Aufmerksamkeit vorrangig zwei bestimmten Bereichen.
Herausragend sind die in Mitteleuropa bisher einzigartigen Fahrspuren von frühbronzezeitlichen Wagen mit Rindergespannen, die im Bereich des Grabhügels aufgedeckt wurden. Die Wagen sind bei seinem Bau eingesetzt worden. Die Fahrspuren wurden bisher auf einer Strecke von 27 Metern nachgewiesen. Durch die Untersuchungen am Bornhöck lässt sich nun erstmalig das Aussehen frühbronzezeitlicher Wagen näher bestimmen: sie besaßen eine Spurbreite von 1,2 m.
Als weiterer Schwerpunkt wird in diesem Jahr der zentrale Bereich des Grabhügels mit der offensichtlich bereits im Mittelalter beraubten Grabkammer des Fürsten untersucht. Schon jetzt lässt sich aufgrund ihrer enormen Ausmaße von mehr als fünf Metern Länge und über drei Meter Breite feststellen, dass diese Grabkammer deutlich größer war als die Kammern in den Fürstengräbern von Leubingen und Helmsdorf. Die Größe der Grabkammer und die gewaltigen Dimensionen des Hügels (65 Meter Durchmesser, 12–13 Meter Höhe) spiegeln die Macht und die Bedeutung des darin bestatteten Herrschers wieder. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass im Bornhöck der mächtigste Fürst der Aunjetitzer Kultur (2300 bis 1600 v. Chr.) seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Damit lässt sich zudem der frühbronzezeitlichen »Reichtumsregion« bei Dieskau, östlich von Halle, mit dem Bornhöck nun das erste sichere Herrschergrab zuordnen. Diese Landschaft hat über viele Jahrzehnte hinweg der Forschung viele Hortfunde mit Hunderten von Waffen und Schmuckgegenständen preisgegeben. Aus der Existenz des herausragenden Fürsten lässt sich nun der auffällige frühbronzezeitliche »Reichtum« der Umgebung erklären.
Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass der Bornhöck einige Generationen später entstanden ist als die Fürstengräber von Leubingen und Helmsdorf. Der Fürst vom Bornhöck war also mit Sicherheit ein Zeitgenosse der Himmelsscheibe. Ob er sie in Auftrag gegeben hat oder ob sie bereits vor seiner Zeit entstanden war, das lässt sich nicht definitiv nachweisen. Doch aufgrund der deutlichen überregionalen Bedeutung des Fürsten vom Bornhöck ist davon auszugehen, dass er die Himmelsscheibe gekannt und möglicherweise auch verwendet hat.
Der Bornhöck war in seiner Zeit der Fokus einer weiträumigen Grabhügellandschaft der Aunjetitzer Kultur. Die genannten Grabhügel von Leubingen und Helmsdorf sind nur die beiden nächstgrößten bekannten Beispiele einer Vielzahl solcher Grabbauten. Diese Formung der Umwelt zu einer solchen Monumentlandschaft ist ein deutliches Zeichen für die zentrale Bedeutung der Region des südlichen Sachsen-Anhalts während der Frühbronzezeit. Die bisherigen Grabungsergebnisse weisen darauf hin, dass der Hügel des Bornhöcks ursprünglich weiß gekalkt war. Damit und durch seine außergewöhnliche Größe war eine weit sichtbares Zeichen nicht nur weltlicher Macht des darin bestatteten Fürsten. Diese Art der Sichtbarmachung von Großgräbern ist bisher nur aus Skandinavien bekannt. Auch der organisatorische Aufwand zur Errichtung eines solchen Grabes, bis hin zur Aufschüttung des Hügels, zeugte von einer großen politischen und wirtschaftlichen Machtfülle des darin Bestatteten. Nicht nur im übertragenen Sinne war der Bornhöck eine monumentale Anhäufung von Reichtum.
Das geborgene Fundmaterial ist durch die diesjährige Grabungskampagne enorm angewachsen. Zu den bereits etwa 5.500 einzeln eingemessenen Funden der Vorjahre sind nun fast ebenso viele weitere hinzugekommen, sodass Mitte August die Zahl von 10.000 Funden überschritten worden ist. Es handelt sich zu etwa zwei Dritteln um Tierknochen und etwa einem Drittel Gefäßscherben. Alle diese Funde entstammen einem frühbronzezeitlichen Siedlungs- oder Wirtschaftsareal, das von den Erbauern des Grabhügels bewusst abgetragen und zusammen mit etwa 20.000 m³ fruchtbarer Muttererde zu dem gewaltigsten Grabmonument seiner Zeit in Mitteleuropa angehäuft worden ist. Die wissenschaftliche Analyse dieses Fundmaterials, die nach den Grabungen beginnen wird, wird zeigen, ob es sich dabei um die Siedlung des Fürsten gehandelt haben könnte. Immerhin wurde im vergangenen Jahr mit dem Fund eines sogenannten »Brotlaibidols« eine bis in das Karpatenbecken reichende Verbindung belegt, die für die Aunjetitzer Kultur außergewöhnlich ist. Einige weitere Funde unterstreichen nun diese Kontakte, die vermutlich auf eine besondere Rolle dieser Siedlung im überregionalen Fernhandel zurückzuführen sind und möglicherweise die Macht des Fürsten vom Bornhöck begründeten.