Ein neuer Ansatz zur Erforschung historischer Epidemien

Das vom ERC geförderte Projekt “EUROPest” unter der Leitung von Alexander Herbig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig zusammen mit Adam Izdebski (Universität Warschau), Timothy Newfield (Georgetown University, Washington) und Elena Xoplaki (Justus-Liebig-Universität Gießen) beschreitet neue Wege in der Erforschung von Krankheiten. Das Projekt konzentriert sich auf den Schwarzen Tod und nachfolgende Epidemien und untersucht den Einfluss von Genetik, Umwelt, Gesellschaft und Klima auf den Krankheitsverlauf.

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Das Projektteam von links nach rechts: Adam Izdebski (Universität Warschau), Timothy Newfield (Georgetown University, Washington), Elena Xoplaki (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Alexander Herbig (MPI für evolutionäre Anthropologie)
Das Projektteam von links nach rechts: Adam Izdebski (Universität Warschau), Timothy Newfield (Georgetown University, Washington), Elena Xoplaki (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Alexander Herbig (MPI für evolutionäre Anthropologie). © Adam Izdebski

Historische Regionen Europas werden als dynamische, komplexe Netzwerke analysiert, die diese Aspekte integrieren. Mit einer Vielzahl von Forschungsmethoden, darunter die Untersuchung alter Pollen, Klimageschichte und archäogenetische Informationen, will das Team die Ausbreitung und die Auswirkungen vergangener Krankheiten analysieren. Mit Daten aus einer Vielzahl von Quellen, von historischen Aufzeichnungen bis hin zu Steuerunterlagen, wollen die Forscherinnen und Forscher die Komplexität von Krankheitsausbrüchen verstehen und möglicherweise die Vorbereitung auf künftige Pandemien verbessern.

Heute beobachten wir, dass Krankheitserreger wie das SARS-CoV-2-Virus in Abhängigkeit von Faktoren wie Umwelt, Gesellschaft, Klima und der Krankheit selbst unterschiedlich häufig auftreten und mehr oder weniger schwerwiegend und tödlich verlaufen. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass der Schwarze Tod, der Europa vor Jahrhunderten heimsuchte, ähnliche Schwankungen aufwies, was die traditionelle Annahme in Frage stellt, dass Krankheiten alle Menschen auf die gleiche Weise betreffen. Das vom ERC geförderte Projekt "EUROpest" will Krankheiten unter Berücksichtigung all dieser Faktoren untersuchen.

Dazu kombiniert das EUROpest-Team ökologische, biologische und soziale Ansätze. Die Forscherinnen und Forscher betrachten historische europäische Regionen als sozio-ökologische Systeme - ein Konzept, das Regionen als komplexe Netzwerke menschlicher und nicht-menschlicher Akteure versteht, die sich aufgrund interner und externer Einflüsse ständig verändern. "Wir gehen davon aus, dass Krankheitserreger eine wichtige Rolle in diesen Systemen spielen und ihre Funktionsweise dramatisch verändern können", sagt Alexander Herbig, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung für Archäogenetik am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Die Auswirkungen, die ein Krankheitserreger auf ein System haben kann, hängen jedoch nicht nur von ihm selbst ab, sondern auch davon, wie er mit den anderen Elementen des Systems interagiert."

EUROpest will bisherige simplistische Modelle zur Erforschung von Krankheiten durch einen umfassenderen Ansatz ersetzen, der ökologische, biologische und soziale Aspekte berücksichtigt. Das Team wird eine Vielzahl von Ansätzen nutzen, darunter die Untersuchung alter Pollen, die Klimageschichte, genetische Informationen aus archäologischen Stätten und vieles mehr. Ziel ist es, ein detailliertes Verständnis historischer Krankheitsausbrüche zu erlangen. Dabei sollen verschiedene Faktoren wie Ernährung, religiöse Strukturen, politische Stabilität und wirtschaftliche Veränderungen berücksichtigt werden, die alle die Ausbreitung und die Auswirkungen einer Krankheit beeinflussen können. Die Forschung wird ein breites Spektrum geografischer Regionen in Europa abdecken, das die kulturelle und geografische Vielfalt des Kontinents widerspiegelt. Außerdem soll untersucht werden, inwieweit Veränderungen der landschaftlichen und klimatischen Bedingungen die Ausbreitung von Krankheiten in diesen Mensch-Umwelt-Systemen maßgeblich beeinflussen.

Darüber hinaus wird EUROpest den Gesundheitszustand vergangener Gesellschaften untersuchen und sich dabei auf drei Schlüsselbereiche konzentrieren: die Krankheitserreger, die in der Vergangenheit Ausbrüche verursacht haben, andere Krankheitserreger, die zu dieser Zeit ebenfalls vorhanden waren, und die Häufigkeit nachfolgender Ausbrüche. Diese Informationen werden aus einer Vielzahl von Quellen gewonnen, darunter historische Texte, kulturelle Artefakte, Kirchenbücher, Steuerdaten und andere. Eine der größten Herausforderungen des Projekts ist die Integration von Daten aus verschiedenen Bereichen, die mit Hilfe fortgeschrittener maschineller Lernverfahren und computergestützter Analysewerkzeuge bewältigt werden soll. "Ein Ziel von EUROpest ist es, besser zu verstehen, wie die verschiedenen Faktoren zusammenwirken, ein anderes, zukünftige Pandemien besser zu verstehen", fasst Herbig zusammen. “Indem wir aus der Vergangenheit lernen, können wir uns ein detaillierteres und realistischeres Bild von zukünftigen Epidemien machen. Dies wiederum kann in politische Entscheidungen und Strategien einfließen, um zukünftige Pandemien effektiver zu bewältigen.”