Bis 2015 war im Gebäude in der Otto-von-Simson-Straße 7 ein Teil der Klassischen Archäologie, ein Gründungsfach der Freien Universität Berlin, untergebracht. Ziel der Einrichtung, die von der Einstein Stiftung Berlin gefördert wird, ist die Erforschung von Zeit und Zeitbewusstsein in der Geschichte der Menschheit.
Im Einstein-Zentrum Chronoi sollen die Wahrnehmungsformen, Ordnungen und Vorstellungen von Zeit in unterschiedlichen Kulturräumen, Gesellschaften und Epochen der Alten Welt zusammengedacht und in aktuelle Forschungszusammenhänge eingebunden werden. Hier forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Archäologie, der Geschichtswissenschaft, den Philologien sowie der Biologie, Biophysik, Genetik, Sozialwissenschaft und Linguistik.
Den Antrag für das neue Forschungszentrum hatte das 2011 gegründete Berliner Antike Kolleg gestellt, das von den gleichen Einrichtungen getragen wird. Das Zentrum wird seine Arbeit in vollem Umfang 2018 aufnehmen, die neuartige Forschungsagenda wird bereits jetzt – gefördert von der Einstein Stiftung – vorbereitet.
Im Rahmen der festlichen Eröffnung erhielten Besucherinnen und Besucher an verschiedenen Stationen Einblick in die thematischen Schwerpunkte des Zentrums:
Station A: Zeit in Texten
Marscha Schneider und Johanna Meinhard von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch lasen antike Primärquellen aus unterschiedlichen Kulturräumen, Gesellschaften und Epochen sowie zeitgenössische Texte zum Thema Zeit. Wie sahen die antiken Zeitgenossen und wie sehen wir heute Aspekte der Tagesrhythmizität und der Zeitwahrnehmung?
Station B: Zeit in der Musik
Prof. Dr. Lars-Christian Koch vom Ethnologischen Museum Berlin und Prof. Dr. Jin Hyun Kim von der Humboldt-Universität zu Berlin führten Repliken antiker und gegenwärtiger Klang- und Musikinstrumente vor. Klänge und Musik sind damals wie heute in Zeit eingebettet, werden von ihr strukturiert, können sie aber im kulturellen Kontext auch selbst strukturieren. Durch die Erprobung antiker Klangformen mit Methoden der Archäologie, Musikethnologie und Kognitionsforschung lässt sich auch antikes Zeitbewusstsein nachvollziehen.
Station C: Die Zeit in uns
Prof. Dr. Hanspeter Herzel von der Humboldt-Universität zu Berlin demonstrierte neueste Erkenntnisse der biologischen Wissenschaften zur zeitlichen Organisation physiologischer Prozesse und wiederholter Verhaltensmuster von Organismen. Diese biologischen Rhythmen spielen zu allen historischen Zeiten eine konstante Rolle. Wie lassen sie sich für ein besseres Verständnis des antiken Umgangs mit Zeit nutzen? Hanspeter Herzel wird den Chronotyp von Gästen im Gespräch ermitteln und auch Rückschlüsse auf den Chronotyp historischer Persönlichkeiten versuchen.
Station D: Zeit in Bildern und Objekten
Kunsthistorikerin Prof. Dr. Karin Gludovatz von der Freien Universität präsentierte Beispiele spätmittelalterlicher „Stundenbücher" aus der jüngst erworbenen Faksimile-Sammlung des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität. Einige dieser Bücher, die dem reichen, lesekundigen Adel als private Andachtsbücher dienten, zählen zu den schönsten jemals hergestellten Exemplaren illustrierter Handschriften.
Station E: Zeitmessung in der Antike
Daten der NASA machen es möglich: Auf ihrer Grundlage kann der Sonnenlauf in der Antike an bestimmten Orten rekonstruiert und auf 3D-Modelle antiker Sonnenuhren projiziert werden. An dieser Station wurde in 3D-Simulationen der Schattenwurf auf mehrere antike Sonnenuhren unterschiedlichen Typs gezeigt.
Station F: Der Ursprung der Zeit
Die Kosmologie ist ein Forschungsgebiet, das versucht, Rückschlüsse auf das Ur-Chaos zu gewinnen, das die Geburt unseres Universums auslöste. Die Kosmologie sucht nach Antworten auf einige fundamentale Fragen, die die Natur uns stellt: Was ist das Universum? Wie ist es entstanden? Woraus besteht es? Was ist seine Bestimmung? Dr. Noam Libeskind vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam versuchte, Antworten auf diese Fragen zu geben und präsentierte dazu einige der spektakulärsten Fotografien des Weltalls, die jemals von Menschen gemacht wurden.