Zwar enthalten viele der über 4000 Jahre alten Keilschriftdokumente Aufzeichnungen über Lieferungen von Emmer, Gerste oder Malz an Brauereien sowie Dokumentationen des Vertriebs. Doch gibt es kaum Informationen über die Feinheiten des Herstellungsprozesses oder gar Rezepte zum Nachbrauen. Damerow zufolge wurden die Verwaltungstexte schließlich für eine Zielgruppe geschrieben, die mit den Details des Bierbrauens vertraut war. Sie waren nicht dafür gedacht, den heutigen, modernen Leser über diese Prozesse aufzuklären. Noch dazu sind die Methoden der Abfassungen je nach Ort und Zeitperiode unterschiedlich und diesen Aufzeichnungen und Berechnungen liegt kein einheitliches Zahlensystem zugrunde. Vielmehr haben die sumerischen Bürokraten unterschiedliche Zahlensysteme verwendet, je nachdem, was sie zählen oder abmessen wollten.
Aufgrund dieser inkohärenten Informationslage gerät für Damerow auch die verbreitete Theorie ins Wanken, wonach die Braumeister Mesopotamiens gebackenes Fladenbrot aus Gerste oder Emmer in ihre Maische gebröckelt haben. Das so genannte »Bappir« (sumerisch für „Bierbrot") ist in den administrativen Texten nie wie Brot gezählt worden, sondern in Maßeinheiten wie auch grobgemahlene Gerste registriert wurde. Sehr standardisiert und damit wenig rezepttauglich erscheint Damerow auch die Beobachtung, dass die Menge der Rohstoffe, die den Brauern von der zentralen Gemeingutverwaltung zugeteilt wurden, in einigen Fällen über Zeiträume von zehn Jahren unverändert blieben.
Auch die »Hymne an Ninkasi«, eine der wichtigsten Quellen zur antiken Braukunst liefert nach Damerows Auffassung keineswegs verlässliche Informationen über die Bestandteile und Abfolge des Brauvorgangs. Dieser lyrische Text aus der altbabylonischen Zeit um 1800 v. Chr. beinhaltet in Form eines mythologischen Gedichts oder Gesanges eine Glorifizierung des Bierbrauens. Damerow zufolge wird das Procedere des Brauprozesses trotz des kunstvollen Versmaßes nicht schlüssig wiedergegeben. So liefert die Hymne einen nur unvollständigen Ablauf der einzelnen Arbeitsschritte. Beispielsweise fehlt die Angabe, wie das Keimen des Getreides zum richtigen Zeitpunkt gestoppt wurde. Die Vermutung, dass die Gerste in Haufen geschichtet wurde und durch Erhitzen und Trocknen das Austreiben der Keime beendet wurde, sobald die Getreidesprossen die richtige Größe hatten, bleibt Spekulation.
Vor allem passt der Inhalt der Hymne nicht so recht zu den Ergebnissen des Tall Bazi Experiments. Mit diesem hatten Archäologen der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen mit den Weihenstephaner Brauereiexperten der Technischen Universität München ein Brauexperiment durchgeführt, um die antiken Brauvorgänge zu rekonstruieren. Zwar konnten sie in einem Kaltmaischverfahren ein Gebräu aus Gerste und Emmer herstellen, dessen Alkoholgehalt sie durch Veränderung des Wasseranteils variierten. Doch ist aus der Sicht von Damerow auch dieses Resultat mit Vorsicht zu genießen. Was unter den besonderen Bedingungen von Tall Bazi funktioniert habe, muss längst nicht an anderen Orten Mesopotamiens gleichermaßen ablaufen können, gibt er mit Verweis er auf die großen Unterschiede hinsichtlich der lokalen Bedingungen zu bedenken. Eigentlich zeigt das Experiment nur, wie mit modernen Methoden ein Bier unter den in Tall Bazi vorherrschenden Bedingungen zustande kommen kann.
Solche Zweifel führen für ihn letztendlich zu einer Frage, die er für »weitaus grundlegender« hält: In welchem Ausmaß es überhaupt möglich ist, antike Produkte mit modernen zu vergleichen. »Angesichts der begrenzten Kenntnisse über die sumerischen Brauprozesse wissen wir nicht einmal sicher, ob das Endprodukt überhaupt Alkohol enthielt«, schrieb Damerow. Tatsächlich ist keineswegs sicher, ob das Gebräu nicht eher eine größere Ähnlichkeit mit dem aus Osteuropa bekannten Brottrunk »Kwas« habe als mit einem Pils, Alt- oder Weißbier.