13 menschliche Skelette, Überreste von drei Pferden und ausgezeichnet erhaltene Grabbeigaben verschiedener Herkunft: Das Gräberfeld, das in der Nähe einer Römerstraße bei Ulm entdeckt wurde, gilt als eines der bedeutendsten Alamannengräber in Deutschland. Es setzt sich aus Einzel- und Mehrfachgräbern der Zeit zwischen 590 und 630 n.Chr. zusammen. Archäologen hatten bereits an den verschiedenen Fundschichten abgeleitet, dass die Personen nicht gleichzeitig bestattet worden waren. Bisher wusste man, dass es sich dabei um ranghohe Krieger und ihr Gefolge handelte, die molekulargenetischen Untersuchungen bringen nun neue Details über die Bestatteten und ihre letzte Ruhestätte ans Licht.
Mithilfe der DNA-Analyse rekonstruierten die Forscher sowohl die mütterliche als auch die väterliche Verwandtschaft. Anhand von Zahnproben stellten die Wissenschaftler fest, dass fünf der Individuen in erster oder zweiter Linie miteinander verwandt waren. Darüber hinaus zeigen die Bestatteten unterschiedliche genetische Herkunftsmuster, die Wurzeln im mediterranen bzw. nordeuropäischen Raum andeuten. »Diese Ergebnisse belegen bemerkenswerte, überregionale Kontakte. Die gemeinsame Bestattung bringt außerdem eine über den Tod hinausgehende Verbundenheit zwischen der Familie und ihrer Gefolgschaft zum Ausdruck«, erklärt Niall O'Sullivan, der am Forschungszentrum Eurac Research promoviert und einen Teil der Analysen am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena durchgeführt hat.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Grabbeigaben fränkischen, langobardischen und byzantinischen Ursprungs, mit denen die Mehrfachgräber ausgestattet waren. Deren vielfältige Herkunft in Kombination mit den neuen genetischen Daten deuten auf eine kulturelle Offenheit hin und belegen, wie Mitglieder derselben Familie womöglich unterschiedlichen Kulturen zugewandt waren.
Neben der Verwandtschaftsanalyse unterzogen die Forscher die Individuen auch einer molekularen Geschlechtsbestimmung. Eines der Skelette wies nämlich einen grazilen Körperbau auf und konnte daher nicht sicher als männlich oder weiblich bestimmt werden. »Anthropologen ermitteln das Geschlecht von Skelettfunden anhand spezifischer körperlicher Geschlechtsmerkmale, fehlen jedoch bestimmte Knochenregionen kann dies die Geschlechtsbestimmung erschweren. DNA-Analysen eröffnen diesbezüglich neue Wege - in diesem konkreten Fall konnten wir das jugendliche Individuum molekular als männlich identifizieren und somit ausschließen, dass es sich dabei um eine frühmittelalterliche Kriegerin handelte«, erläutert Frank Maixner, Mikrobiologe am Instituts für Mumienforschung von Eurac Research.
Die erheblichen Fortschritte, die in der Molekulargenetik in den letzten Jahren erreicht wurden, erlauben bislang unbeantwortete Fragen neu aufzuwerfen und historische sowie archäologische Erkenntnisse zu ergänzen. »Die Gräberstudie in Niederstotzingen ist ein Paradebeispiel dafür, wie wir Archäologen und Anthropologen mit neuen Methoden unterstützen können offene Fragestellungen im regionalen Kontext zu vertiefen«, so Maixner abschließend.
Publikation
Ancient genome-wide analyses infer kinship structure in an Early Medieval Alemannic graveyard
Science Advances Vol. 4, no. 9, eaao1262. 05.09.2018
DOI: 10.1126/sciadv.aao1262
http://advances.sciencemag.org/content/4...