Die "Dame von Kölleda" – eine außergewöhnlich reiche Bestattung aus der Merowingerzeit

Zwischen 2017 und 2021 konnte das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) im Zuge der geplanten Erweiterung des Gewerbegebietes Kölleda-Kiebitzhöhe eine etwa 20 ha große Fläche intensiv archäologisch untersuchen. Als bedeutsam kann die Entdeckung von 17 Grablegen des 6./7. Jh. n. Chr. angesehen werden.

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3D-Dokumentation der Blockbergung
Dokumentation des teilweise freigelegten Skeletts mittels 3D-Scanner. Foto: TLDA

Bei den Grabungen in Kölleda ließen sich mehr als 3700 archäologische Befunde dokumentieren, die eine 4000 Jahre währende Besiedlungsgeschichte zwischen dem 4. Jahrtausend v. Chr. und dem 7. Jh. n. Chr. belegen. Die 17 Grablegen der Merowingerzeit des 6./7. Jh. n. Chr. stammen schon aus einer Zeit, als das einstige Thüringer Königreich bereits Teil des Frankenreiches war. Schon während der Ausgrabung fielen verschiedene Besonderheiten auf, die den kleinen Bestattungsplatz als außergewöhnlich kennzeichneten. So waren in sieben Gruben insgesamt 11 enthauptete Pferde eingebracht und als besonders wertvolle Tiere den Toten zur Seite gelegt worden.

Die Gräber der bestatteten Menschen waren aufwendig gebaut: Zum einen waren sie außergewöhnlich tief angelegt und zum anderen die Toten in sorgfältig gearbeiteten hölzernen Grabkammern mit zahlreichen Beigaben beerdigt. Neben kunsthandwerklich äußerst qualitätsvoll gefertigten Waffen und Schmuckgegenständen gehören zu den herausragenden Beigaben Luxusgüter wie Glasgefäße, die aus Werkstätten im Rhein-Main Gebiet stammen. Als Seltenheit sind zudem mehrere Bronzegefäße anzusehen, die vermutlich im östlichen Mittelmeerraum hergestellt wurden, sie kommen vor allem im fränkischen Siedlungsgebiet in besonders reich ausgestatteten Gräbern der adligen Elite vor.

Die wertvollen Grabbeigaben weckten offensichtlich Begehrlichkeiten, denn die meisten Grablegen wurden bereits nach wenige Jahrzehnten beraubt. Dennoch belegen zurückgelassene Beigaben den ursprünglichen Reichtum der Ausstattungen. Auf dem kleinen Gräberfeld bei Kölleda wurden die Angehörigen der sozialen Oberschicht einer Dorfgemeinschaft bestattet.               

Nur etwa 100 m südlich des Bestattungsplatzes wurde die dazugehörige Siedlung freigelegt. Etwa 70 Hausbefunde geben einen Einblick in die Lebenswelt vor 1300 Jahren. In Mitteldeutschland wurden bislang nur wenige Siedlungsplätze der Merowingerzeit ausgegraben. In Kölleda konnte die Siedlung dabei nicht nur in Gänze erfasst werden, mit dem nahegelegenen Gräberfeld konnte erstmals auch ein zu einem Dorf gehöriger Begräbnisplatz identifiziert werden.

Eine der untersuchten Beisetzungen hob sich deutlich von den übrigen dokumentierten Grabbefunden ab. Ihre eigentliche Grabkammer lag in mehr als 4 m Tiefe unter der heutigen Oberfläche. Unmittelbar darüber war eine zweite Kammer angelegt worden, an deren Rand große Feldsteine standen. Der Zweck dieser ungewöhnlichen Konstruktion ist bislang unklar ‒ sie verhinderte jedoch eine Beraubung des Grabes.

Um diesen einmaligen Befund unter Laborbedingungen auszugraben und dabei alle Details aufnehmen zu können, erfolgte eine Bergung im Block. Die in einer Stahlummantelung eingehauste Grabkammer mit einem Gewicht von ca. 13 t wurde in die Restaurierungswerkstätten des TLDA nach Weimar-Ehringsdorf gebracht und dort seit Dezember 2023 freigelegt.

Die Freilegung eines so großen Blockes erforderte eine besondere Technik. Deshalb wurde für die weiteren Arbeiten zunächst die Fertigstellung einer neuen Halle für Großblockbergungen in der Außenstelle Ehringsdorf abgewartet. Seit Ende 2023 steht dort ein 20-Tonnen-Kran zur Verfügung, der einen präzisen Umgang und Transport entsprechender Blöcke ermöglicht.

Verschiedene Scanverfahren zur 3D-Dokumentation der einzelnen Freilegungsphasen stellten eine bestmögliche Erfassung der genauen Lage der Objekte in der Grabgrube sicher. Das Skelettmaterial und andere besonders fragile Objekte wurden bereits während der Freilegung mit Tränkungsmitteln gefestigt. Im nächsten Schritt wurden die Beigabenkomplexe in kleineren Teilblöcken entnommen und mittels Computertomografie und weiteren Analysemethoden untersucht. Auf diese Weise konnten z. B. sehr kleinteilige Objekte (etwa Perlenkette) bereits erkannt und von den Restauratoren gezielt freipräpariert werden.

Die untersuchte Grablege gehörte zu einer etwa 25‒30 Jahre alten Frau. Die Tote war mit verschiedenen Speisebeigaben und persönlichen Gegenständen bestattet worden. Insbesondere zahlreiche Schmuckgegenstände aus Gold und Silber sowie ein getriebenes Bronzebecken unterstreichen die herausragende soziale Stellung der Verstorbenen. Die Objekte von herausragender kunsthandwerklicher Qualität offenbaren dabei weitreichende kulturelle Beziehungen von Angehörigen dieser Oberschicht bis nach Mittelitalien und in den Mittelmeerraum.