Der Einfluss von Dürreperioden auf die vorgeschichtliche Landwirtschaft in Nahost
Der frühen landwirtschaftlichen Entwicklung im Nahen Osten wird ein starker Einfluss auf das Aufblühen von Gesellschaften – oder auf ihren Untergang – zugeschrieben. Die Landwirtschaft wiederum muss mit den Umweltbedingungen klarkommen, die stark vom Klima gesteuert werden. Um zu erforschen, in welchem Ausmaß die Klimaentwicklung in den vergangenen Jahrtausenden seit dem Beginn der Landwirtschaft Einfluss auf die Ernten und frühe landwirtschaftliche Gesellschaften hatte, haben Dr. Simone Riehl vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen sowie dem Senckenberg Zentrum für Menschliche Evolution und Paläoumwelt (HEP) und ihre Kollegen ganz besondere Archive angezapft: archäologische Getreidefunde. Die bis zu 10.000 Jahre alten Gerstenkörner von zahlreichen Orten im "Fruchtbaren Halbmond" geben heute noch preis, ob es zur Zeit ihres Wachsens und Reifens genug Wasser gab. Tatsächlich stellte die Forscherin fest, dass klimatisch bedingte Dürreperioden in zahlreichen Siedlungen des Vorderen Orients spürbare Auswirkungen auf die Entwicklung von Landwirtschaft und Gesellschaft hatten. Vom Wassermangel waren die Siedler lokal jedoch recht unterschiedlich stark betroffen und fanden individuelle Lösungen für das Dürreproblem.
Das Forscherteam hat 1037 Getreideproben von 33 archäologischen Fundstellen im Vorderen Orient untersucht, die aus dem Zeitraum 10.000 bis 500 Jahre v. Chr. stammen. Außerdem wurden moderne Vergleichsproben von 13 Orten im Fruchtbaren Halbmond ausgewertet. Gemessen wird der Anteil zweier natürlich vorkommender Kohlenstoffarten mit verschiedener Masse, Isotope genannt, in den Getreidekörnern. Leidet die Pflanze während der Entwicklung der Körner unter Wassermangel, wird in den Zellen ein größerer Anteil der schweren Kohlenstoffisotope eingebaut. Die beiden Kohlenstoffisotope, 12C und 13C, bleiben über die Jahrtausende stabil, ihre Menge können die Wissenschaftler sehr präzise bestimmen. Mit dieser Methode erhielten Simone Riehl und ihre Kollegen Auskunft über die Verfügbarkeit von Wasser beim Anbau der Pflanzen und eventuelle Signale von Trockenstress. Die Studie ist Teil des seit 2009 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekts "Klima, Landwirtschaft und Gesellschaft – Zur Nachhaltigkeit früher landwirtschaftlicher Systeme im Vorderen Orient", in dem die Bedingungen und Mechanismen für Bestehen und Untergang von Gesellschaften im alten Orient untersucht werden.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass viele frühe Siedlungen im Fruchtbaren Halbmond von Dürren betroffen waren. Diese traten vor allem in Verbindung mit den Hauptklimaschwankungen auf. "Geografische Faktoren und die von den Menschen eingeführten Technologien spielten eine große Rolle und beeinflussten die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Gesellschaften sowie deren spezifischen Umgang mit Dürren", sagt Simone Riehl. Nach ihren Ergebnissen blieb zum Beispiel das in den Küstenregionen der nördlichen Levante angebaute Getreide von Trockenperioden weitgehend unbeeinflusst. Weiter im Inland sei man hingegen häufig gezwungen gewesen, die Pflanzen künstlich zu bewässern oder in extremen Fällen sogar die Siedlung aufzugeben und umzuziehen. Die Ergebnisse geben den Wissenschaftlern Aufschluss darüber, wie frühe landwirtschaftliche Gesellschaften mit Klimaschwankungen und regional unterschiedlichen Umweltbedingungen umgingen. Die Wissenschaftlerin setzt hinzu: "Außerdem können sie zur Evaluierung heutiger Bedingungen in Regionen mit erhöhtem Risiko für Missernten beitragen."
Publikation
Simone Riehl, Konstantin Pustovoytov, Heike Weippert, Stefan Klett, Frank Hole: Drought stress variability in ancient Near Eastern agricultural systems evidenced by δ13C in barley grain. PNAS – Proceedings of the National Academy of Sciences, DOI: 10.1073/pnas.1409516111.