Ziel der Forscher ist es, die wechselvolle Überlieferungsgeschichte des Werkes zu dokumentieren und die verschiedenen Versionen synoptisch zusammen mit einer deutschen Übersetzung abzubilden. "Daraus wiederum lassen sich wichtige Folgerungen für die Textgeschichte des Buches Sirach sowie die Theologie und Hermeneutik der einzelnen Versionen erwarten", erklärt Professor Zapff vom Lehrstuhl für Altes Testament. Ihm sowie seinen Kollegen Prof. Dr. Heinz-Josef Fabry (Universität Bonn) und Prof. Dr. Wolfgang Kraus (Universität Saarbrücken, Projektleitung) werden dabei einer Reihe von Fachleuten zu einzelnen Sprachtraditionen zur Seite stehen. Die Wissenschaftler möchten eine so genannte diplomatische Synopse erstellen, bei der verschiedene Textversionen hinsichtlich ihrer Übersetzung in Bezug zueinander gesetzt werden: Ist etwa der syrische Begriff gleichsinnig mit dem hebräischen Begriff und wie ist dies im Deutschen wiederzugeben?0
Das alttestamentliche Sirachbuch ist ein ursprünglich in hebräischer Sprache verfasstes Werk eines jüdischen Weisheitslehrers (Ben Sira). Um das Jahr 138 v. Chr. wurde das Buch von dem Enkel Sirach – vermutlich in Alexandrien - ins Griechische übersetzt. Der Text besteht weitestgehend aus Sentenzen zu verschiedenen Fragen und Problemen des Lebens. Dazu gehört etwa die Frage, ob man einen (hellenistischen) Arzt konsultieren darf, das rechte Verhalten bei einem Weingelage, das Verhalten gegenüber einem Freund, die Warnung vor der fremden (verheirateten) Frau oder die Wahl eines rechten Ratgebers. Daraus wiederum lassen sich Einblicke in die damalige Lebenskultur, insbesondere hinsichtlich des Einfluss hellenistischen Denkens auf die damalige jüdische Gesellschaft gewinnen.
Es finden sich jedoch auch Fragen zur Theodizee, also nach dem Sinn von als gefährlich erfahrenen Schöpfungsphänomenen, wie z.B. Naturkatastrophen und die in Frage gestellte Harmonie der Schöpfung. "Hier macht Sirach Anleihen an stoisches Gedankengut bzw. lässt Analogien zu stoischem Denken erkennen, ohne jedoch Stoiker zu sein", so Zapff. Das Buch Sirach endet mit einem Überblick zu großen Gestalten der jüdischen Geschichte, womit der Autor eine Art Antithese zum hellenistischen Heroenkult schafft.
Auch wenn sich dieses Werk lange Zeit im Judentum hoher Wertschätzung erfreute, wurde es nicht in den Kanon der hebräischen Bibel aufgenommen, jedoch über das griechische Alte Testament Teil der christlichen Kanons. Nachdem die hebräische Fassung des Sirachtextes bereits in der Antike verloren ging, wurde der Sirachtext neben der griechischen Fassung, die verschiedene Rezensionen erfuhr, außerdem in einer syrischen Version aus dem 7. Jh. und einer lateinischen Version bewahrt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann in der Kairoer Geniza über zwei Drittel des hebräischen Sirachtextes in mittelalterlichen Versionen wiederentdeckt, zu denen sich später noch Textfunde des hebräischen Sirach aus Qumram und Masada gesellten.
Vom 6. bis 8.Oktober 2017 wird an der KU rund um das Projekt eine internationale Tagung stattfinden, die sich sowohl anthropologischen als auch theologischen Aspekten des Sirachbuches widmen wird.