Burg Landsberg – aktuelle Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen auf dem Kapellenberg
Die Doppelkapelle St. Crucis ist eine weithin sichtbare Landmarke und gleichzeitig der prominente obertägig erhaltene Überrest der im 12. Jahrhundert erbauten markgräflichen Burg Landsberg (heute Stadt Landsberg, Saalekreis). Im Zuge eines Forschungsprojekts finden im Umfeld der Kapelle auf dem Gelände der ehemaligen mittelalterlichen Burg auch in diesem Jahr archäologische Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg statt. Insbesondere zum Wissen über das bauliche Umfeld der Kapelle und die Vorgängeranlage der markgräflichen Burg tragen die derzeitigen Arbeiten erheblich bei.
In ihrem Überblick zur Romanik in Sachsen-Anhalten stellten Angela Pfotenhauer und Elmar Lixenfeld 2001 die entscheidende Frage zum Kapellenberg bei Landsberg (Saalekreis): »Da kann etwas nicht stimmen: Wozu steht eine so prachtvolle Kapelle hoch oben einsam auf einem schroffen Felsplateau?« In der Tat ist die Heilig-Kreuz-Kapelle nicht nur ein besonderes Kleinod auf der Straße der Romanik, sondern zugleich das einzige obertägig sichtbare Zeugnis einer bedeutenden Burg aus dem hohen und späten Mittelalter. Deren Überreste stehen seit 2021 im Fokus einer Lehr- und Forschungsgrabung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunstgeschiche und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die diesjährigen Untersuchungen geben spannende Aufschlüsse zur Baugeschichte und zum Leben auf der mittelalterlichen Burg – und finden Antworten zu der eingangs gestellten Frage.
Historischer Hintergrund
Die Burg Landsberg wurde im 12. Jahrhundert von Dietrich, einem Sohn des Markgrafen Konrad von Meißen, errichtet und war bis Anfang des 13. Jahrhunderts namengebend für eine Nebenlinie der Wettiner. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts geriet die Burg in Verfall, ohne dass es Hinweise auf eine gewaltsame Zerstörung gäbe. Erhalten blieb lediglich die besagte Doppelkapelle, die 1662 das erste Mal nachweislich instand gesetzt wurde. Die herausragende Qualität dieser Kapelle in Hinblick auf ihre Architektur und Bauornamentik lässt für die verschwundenen Gebäude der Burg Vergleichbares vermuten.
Ausgrabungskampagne 2023
Die Burganlage steht im Mittelpunkt der diesjährigen Ausgrabung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Seit Mitte Juli 2023 widmen sich die Untersuchungen insbesondere der Frage nach dem baulichen Umfeld der Kapelle sowie nach einer möglichen Vorgängeranlage der Burg. Um hierüber Aufschluss zu erlangen, wurde eine Grabungsfläche angelegt, in der noch bis Ende August vier Studentinnen und Studenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, unterstützt durch einen Grabungsarbeiter, in der Methodik archäologischer Ausgrabungen und Dokumentation ausgebildet werden.
Trotz der relativ kleinen Untersuchungsfläche bestätigen die angetroffenen Befunde die einstige Bedeutung der Burg. Bauliche Reste aus Stein, deren Mauern zum Teil verputzt und mit eingeritzten Fugen dekoriert waren (»Fugenstrich«), stehen mit der Anlage des Markgrafen Dietrich von Landsberg aus dem 12. Jahrhundert in Verbindung. Von ihrer Zerstörung, die – anders als bislang angenommen – zu großen Teilen nicht erst in der frühen Neuzeit, sondern bereits im Mittelalter erfolgt sein muss, zeugen die Planierschichten, die die Mauern überdeckten und reichhaltiges Fundmaterial aus dem 12. bis 15. Jahrhundert bargen.
Unter den ungefähr 500 Funden befinden sich neben Koch-, Trink- und Vorratsgeschirr unter anderem Münzen und Würfel, die das Alltagsleben auf der Burg widerspiegeln. Fragmente von Ofenkacheln zeugen davon, dass die Burg beheizbare Wohnräume besaß – ein Luxus, der im Mittelalter wohlhabenden und hochrangigen Persönlichkeiten vorbehalten war.
Neben den Spuren der Burg Dietrichs von Landsberg konnten in den untersten untersuchten Kulturschichten auf dem Kapellenberg auch Funde aus dem 9. bis 11. Jahrhundert aufgedeckt werden. Sie machen es wahrscheinlich, dass hier die Kernburg einer der umfangreichsten spätkarolinger- bis ottonenzeitlichen Befestigungsanlagen Sachsen-Anhalts lokalisiert werden kann.
Auffällig ist weiterhin ein Gebäude mit einem Trockenofen aus dem 15. Jahrhundert, das als Darre gedient haben könnte. In dieser Zeit wurde der Kapellenberg als Wallfahrtsort aufgesucht. Es ist davon auszugehen, dass – wie auch andernorts bezeugt – der Besuch mit einem Gang in das Wirtshaus verbunden war. Die ausgegrabene technische Anlage des Trockenofens mag mit einem zugehörigen Braubetrieb in Verbindung gestanden haben.
Die Funde und Befunde, die während der laufenden Untersuchungen zutage kamen, geben ein beredtes Bild von den verschiedenen Facetten des Lebens auf der Burg, das sich durch die wenigen überlieferten Schriftquellen allein nicht fassen ließe. Die gute Erhaltung der Befunde unter der heutigen Oberfläche lässt zudem erwarten, dass eine flächige Ausgrabung tiefe Einblicke in die baulichen Grundstrukturen und zugleich die Einbindung der Doppelkapelle in ihr einstiges architektonisches Umfeld – insgesamt also ein noch besseres Verständnis der gesamten Anlage – ermöglichen würde.