Die Sabäer gelten als reiches antikes Handelsvolk, das in vorislamischer Zeit vom zweiten Jahrtausend v. Chr. an im Südwesten der Arabischen Halbinsel im Gebiet des heutigen Jemen lebte. Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) untersucht diese Epoche vor Ort. Die Geographen Dr. Dana Pietsch und Dr. Peter Kühn von der Universität Tübingen untersuchen im Rahmen dieser Forschungen die Böden, die sich in jener Zeit bildeten.
Auf der Basis bodenkundlicher Untersuchungen in einem Oasengebiet am östlichen Rand der Wüste Ar-Rub' Al-Khali rekonstruieren die Tübinger Forscher die Umwelt der Sabäer, sammeln aber auch Bodeninformationen aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit. Böden verändern sich infolge klimatischer Veränderungen, durch unterschiedliche Nutzung, Verwitterungs- und Umlagerungsprozesse. Die Sedimentschichtung in den Böden kann den Forschern als eine Art Geschichtsbuch dienen. Das Projekt liefert erste Seiten dazu, unter welchen Umweltbedingungen die Sabäer in diesem Gebiet gesiedelt haben und warum sie vor rund 3000 Jahren begonnen haben, mit einer hochentwickelten Technik eine riesige Fläche von mehr als 9600 Hektar zu bewässern.
Forschung mit Risikofaktor
Die Geographin Dana Pietsch arbeitet seit mehr als zehn Jahren in verschiedenen Projekten im Jemen und auf der Insel Soqotra. Die aktuellen Entführungen und Morde an Ausländern im Jemen erwecken das Bild einer gefährlichen Region. "Terroranschläge, die mit traditionellen Entführungen nichts zu tun haben, werfen seit einigen Jahren einen Schatten über das Land", sagt sie. "Die Ökonomie und die Menschen im Jemen, vor allem die demokratisch gesinnten Kräfte, die das Land weiter nach außen öffnen wollen, leiden besonders unter dem zunehmend negativen Image." Im Jahr 2000 sei es noch in nahezu allen Landesteilen möglich gewesen, sich frei zu bewegen. Seit Beginn ihrer Forschungen in den Oasen Ma'rib und Sirwah sind sie und ihre Kollegen vorsichtiger, da neben traditionellen Entführungen terroristische Anschläge wahrscheinlicher geworden sind. Bewacht werden das DAI-Team und die Geowissenschaftler von Angehörigen der beiden Stämme Ashraf und Dschahm sowie dem Militär. "Ohne den Schutz der Stämme könnte man in der Region nicht arbeiten. Bei ihnen ist man relativ sicher, da es der Ehrenkodex vorschreibt, in den Stamm aufgenommene Fremde zu schützen", erzählt Dana Pietsch. Die Forscherin hat sich inzwischen an diese Verhältnisse gewöhnt. Sie hält die Berichterstattung über den Jemen in den Medien für einseitig: "Die Jemeniten sind - wenn man sie respektiert und die Gründe der wissenschaftlichen Arbeit transparent macht - ein offenes und sehr gastfreundliches Volk", sagt sie.
In Kooperation mit Dr. Iris Gerlach, der Leiterin der Außenstelle Sana'a des DAI, arbeitet Dana Pietsch in den beiden antiken Oasen Ma'rib und Sirwah am Wüstenrand. Ma'rib liegt rund 130 Kilometer östlich von Sana'a, Sirwah etwa 40 Kilometer westlich von Ma'rib, beide am Rand der Wüste Ar-Rub' Al-Khali. In der Oase Sirwah werden vom DAI und der jemenitischen Behörde GOAM derzeit Tempelanlagen ausgegraben. Die Tübinger Arbeitsgruppe befasst sich mit Sedimenten und Böden in und um den berühmten Al-Maqqah-Tempel. Diese Untersuchungen tragen zur Erforschung der Bebauungsphasen bei. In der Umgebung der antiken Oase Ma'rib werden natürliche Böden und Sedimente über den gesamten Zeitraum des Holozäns (seit 10.000 Jahren v. Chr.) untersucht. Einerseits sollen dabei natürliche Böden von künstlichen Bewässerungssedimenten, die mindestens seit 600 v. Chr. bestehen, unterschieden werden. Andererseits soll der Übergang vom Nomadentum der Menschen und dem Regenfeldbau zur späteren Bewässerungslandwirtschaft zeitlich eingegrenzt werden. Das Gebiet um Ma'rib war einst ein Handelsknotenpunkt an der Weihrauchstraße. "Es gibt dort den weltberühmten Großen Damm von Ma'rib, dessen Vorgängerbauten aus der Zeit um 1200 v. Chr. stammen. Der Schweizer Forscher Dr. Ueli Brunner hatte bereits in den 1980er Jahren Fragen aufgeworfen, warum eine so großflächige Bewässerung notwendig wurde", berichtet die Forscherin. Gab es im Umfeld der Oase keine ausreichenden Bodenressourcen oder reichten die Niederschläge nicht mehr aus? Oder wuchs die Bevölkerung und die Größe der Karawanen in der Antike so stark an, dass viel mehr Getreide produziert werden musste?
Zeugnis künstlicher Bewässerung: Der große Damm von Ma'rib
Mithilfe eines Damms, der aus Sedimenten bestanden hat, zwei Schleusen und zwei Hauptverteilern konnten fruchtbare Feinsedimente angehäuft werden, die eine intensive Landwirtschaft über Jahrhunderte, bis mindestens 600 n. Chr., ermöglichten. Geographen und Bodenkundler der Universität Tübingen wollen die Forschungsfragen beantworten und untersuchen die ersten Spuren einer künstlichen Bewässerung: In einem Seitenwadi in vulkanischen Lavafeldern nordwestlich der Bewässerungsoase wurde vermutlich gegen Ende der Bronzezeit auf kleinen Feldern Getreide angebaut. Die Arbeitsgruppe untersucht die Ausdehnung überdeckter alter Böden und erhebt bodenphysikalische und bodenchemische Daten. Hinweise auf frühere Bodenbearbeitung und Pflanzenbau geben sogenannte Rhizolithe, verfüllte Wurzelgänge von Pflanzen. Außerdem werden Vesikelkrusten herangezogen, an deren Oberflächen das Wasser abläuft, sodass die darunter liegenden Böden weitgehend ungestört geblieben sind. "Das Mosaik der fossilen Böden im Untersuchungsgebiet ist heterogen, aber die jüngsten sandigen Ablagerungen darüber sind relativ einheitlich, was ein Zeichen der zunehmenden Austrocknung und Ausbreitung der Wüste infolge des Klimawandels sein kann", sagt Dana Pietsch.
Fossiler Leithorizont
Auch eine relative Datierung der Sedimente und Böden ist möglich. "Dafür nutzen wir einen fossilen Leithorizont, einen schmalen dunklen Streifen im Boden, der sich im gesamten Oasenumfeld immer wieder finden lässt und der organische Substanz und fossile Schnecken enthält, die mittels der AMS-14C-Methode datiert werden können", sagt die Forscherin. Die Zeitmessung, durchgeführt in der Physik der Universität Erlangen, läuft über unterschiedlich stabile Kohlenstoffatome, die die früheren Lebewesen in einem für die jeweilige Zeit typischen Verhältnis in ihre Substanz eingebaut haben. Der Leithorizont in der Oase Ma'rib ist aktuellen Untersuchungen zufolge im Frühholozän, 7000 bis 4000 v. Chr., entstanden. Die absolute Datierung der Sedimentation wird derzeit mit einer weiteren, davon unabhängigen Methode von Forschern der Universität Heidelberg vorgenommen, der sogenannten optisch stimulierten Lumineszenz (OSL). Dabei wird gemessen, wann bestimmte Mineralkörner im Boden wie Quarz und Feldspat zuletzt dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Quarz und Feldspat speichern sozusagen die natürliche Radioaktivität, geben sie aber bei Einstrahlung von Licht als kaltes Leuchten oder Lumineszenz ab. Die Methode liefert verlässliche Daten bis rund 150.000 Jahre zurück. Mithilfe dieser Verfahren wird auch annäherungsweise das Alter künstlicher Steinansammlungen bestimmt, bei denen es sich um bronzezeitliche bis frühsabäische Gräber handelt, von den Archäologen Turmgräber genannt. Erfasst wird das Alter der unter den Steinen liegenden Sedimente, das ein mögliches Maximalalter der Steinsetzungen wiedergibt. Andere Steinanhäufungen sind Reste früherer Tierfanganlagen.
Auch über die Geschichte des Sabäischen Reichs hinaus bleiben Fragen offen: Zur Zeit der Sabäer gab es im Hochland des Jemen zwei weitere Reiche namens Qataban (ab 800 v. Chr.) und später Himyar (ab 100 v. Chr.). Inwieweit zwischen den Reichen am Wüstenrand und dem Hochland Austausch bestanden hat und auf welchen Wegen, ist bisher nicht fundiert untersucht worden. Es sei auch nicht klar, sagt die Geographin, ob die Menschen im Jemen zuerst am Wüstenrand oder im Hochland gesiedelt haben. Am Wüstenrand sei heute aus Wassermangel nur noch Pflanzenanbau mit Tiefbrunnen möglich, so Dana Pietsch. Im Umfeld der Oase gebe es Beduinenbetrieb mit Kamelen sowie die Stadt Ma'rib mit rund 20.000 Einwohnern. Viel dichter besiedelt und intensiver bewirtschaftet sei das regenbegünstigte Hochland, das "Grüne Herz des Jemen".