Die im Frühjahr 2007 in der Erfurter Kreuzgasse entdeckte mittelalterliche Mikwe bildet einen wichtigen Bestandteil des jüdischen Lebens in Erfurt. Zur Festlegung des restauratorischen Bedarfs wurden in diesem Winter Dokumentationen der Steine mit Schadenskartierungen vorgenommen. Dabei konnte eine interessante Entdeckung gemacht werden, die das Bauwerk zeitlich näher eingrenzt und seine besondere Stellung unter den Mikwen Mitteleuropas heraushebt: Erstmals wurde an einem jüdischen Ritualbau figürlicher Schmuck nachgewiesen - eine Plastik, die König David aus dem Alten Testament darstellt.
Im Bereich des Tauchbeckens der zweiten Bauphase der Erfurter Mikwe (Mitte 13. Jahrhundert) sind große Steinblöcke vermauert, deren sekundäre Verwendung bereits bei der archäologischen Dokumentation angenommen wurde. Sie gehörten mit größter Wahrscheinlichkeit zum ersten - bisher nur grob in die Romanik eingeordneten - Bau, von dem nur eine Wand erhalten ist. An einem der Steine entdeckte nun die Steinrestauratorin eine eingravierte Linie, die sich beim Freilegen der Fuge neben dem Stein als Teil einer Skulptur eines kleinen Köpfchens zeigte. Die Plastik, die hinter einer Mörtelschicht verborgen war, besticht durch eine äußerst sorgfältige Steinbearbeitung und durch einen hervorragenden Erhaltungszustand. Lediglich die Nase und andere Oberflächen sind vermutlich durch die Wiederverwendung des Steinblockes in Mitleidenschaft geraten. Die Krone mit Lilienaufsatz ermöglicht eine Interpretation der Plastik als König David. Kunsthistorisch lässt sie sich in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren. Aus dieser Zeit kennen wir aus Thüringen nur wenige Beispiele ähnlicher Bauplastik, allerdings nicht von vergleichbarer Qualität. Die nächsten Parallelen menschlicher Darstellungen finden sich an der Kirche von Möbisburg, Stadt Erfurt.
Für die Mikwe bedeutet dieser Neufund, dass für den ersten Bau endlich ein genauerer Datierungsansatz vorliegt. Damit rückt die erste Bauphase des Erfurter Bades in eine Reihe mit den frühesten Mikwen in Mitteleuropa, wie Köln, Worms und Speyer.
Bereits seit 2007 führt das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie archäologische Untersuchungen an der Erfurter Mikwe durch. Während die Arbeiten in 2009 aufgrund der Planungen für eine Überbauung weitestgehend ruhten, wurde nun die letzte Phase der Ausgrabungen in der vergangenen Woche eingeläutet. Bis zum Beginn der Bauarbeiten für den Schutzbau in ein paar Monaten sollen die archäologischen Untersuchungen abgeschlossen sein. Im nächsten Jahr wird die Mikwe dann im Rahmen des Netzwerkes Jüdisches Leben Erfurt für die Öffentlichkeit zugänglich sein.